Hochschulseminar – Lob der Parzelle
 
Parzelle im Film
Klaus Schäfer, 1.März 2011

"Dogville" von Lars von Trier (Spielfilm, 2003)




Inspiriert von der Ballade der Seeräuber-Jenni aus der „Dreigroschenoper“ von Bert Brecht entwickelt Lars von Trier als eine Art filmisches Kammerspiel die Geschichte der kleinen Stadt „Dogville“ irgendwo im amerikanischen Westen der 30er Jahre. Schauplatz der Erzählung ist eine Studiobühne, auf der die Konturen einer Kleinstadt gezeichnet sind. Der Wechsel von Tag und Nacht im Kunstlicht rhythmisiert die einzelnen Teilen der Geschichte. Ein Duzend Schauspieler bespielen den Raum gleich einer Arena. Mit einer faszinierenden Glaubhaftigkeit verschwinden die festen Formen der Kleinstadt, ohne dass sich ihre Grenzen (von privat und öffentlich) aufheben. Wir folgen der Geschichte und der kunstfertigen Darstellung der Schauspieler willig, ‚vergessen’ die Bühne und akzeptieren Kreidestriche als Parzellen und Hauswände, die wir als Teil der Inszenierung durchblicken dürfen.
Lars von Trier stattet uns fast perfide mit einer voyeuristischen Macht aus, die die Grenzen des erträglichen ausspielt.

 


In unserem Rahmen lässt sich vor allem die Rolle des öffentlichen und des privaten Raumes in diesem Film diskutieren. Mit dem Eindringen der „Fremden“ in eine abgeschlossene Welt klarer Formvorstellungen von Gemeinsamkeit und von Häuslichkeit, entsteht zunächst das Bedürfnis nach einem öffentlichen Raum, denn Ansätzen zum Repräsentativen werden hierdurch deutlich. D.h. das Fremde schafft an diesem Ort erst den Raum für perspektivische Betrachtungsweisen, für eine Distanz, grob polarisiert zwischen Außen und Innen, Privat und Öffentlich.
Der Film selbst handelt aber vom Abbau dieser sozialen Kräfte, die sich auch als Wirkungsweisen einer Zivilisiertheit beschreiben lassen. Wir sehen, wie das Persönlichkeitsrecht des Eindringlings mehr und mehr bis hin zu Versklavung aufgehoben wird. Die Gemeinschaft deckt den Verfall der Sitten unter Preisgabe der eigenen Individualität, als Einbuße der gerade gewonnenen Selbst(be)achtung.