Hochschulseminar – Wer hat Angst vor dem Zufall?
 
Urbane Mischung oder geplante Trennung?
Roni Adsiz, 12.02.2018

In the following presentation the topic of the urban mixture, in relation to different city models as well as divisions within them, will be treated.

A special focus is on the social and ethnic classes affected by the effects of urban mixing.

At the beginning there is an explanation of the origin and history of the urban mixture in which we look at conventional structures. Worth mentioning is the zoning, Ebenezer Howard's “garden city model” as well as the separation of functions, in which Le Corbusier played an important role.
The urban structures are changing and so is the environment of the inhabitants. Terms such as “gentrification” and “segregation” fall when it comes to the description of social classes and ethnic groups.
The last section gives the question, how such a mix could be promoted to make life easier and create new networks that people can benefit from.



Der Anfangsgedanke des Städtebaus war es, die vorhandene Stadt in einzelne definierte Bereiche aufzutrennen und neu zu ordnen. Bauweisen und Baudichten sollten in verschiedene Zonen aufgeteilt werden, wobei die Funktions- und Nutzungstrennung noch keine Rolle spielten. Die ersten Formen von solchen Zonenbauplänen gab es bereits ca. 1874 und mit der Zonierung wollte man nun die Zusammensetzung der Stadt erneuern.



Weil das flache Land und seine Bevölkerung, also der Bauernstand, durch die massive Verstädterung gesetzmäßig geschwächt wurden, spürte man eine Ablehnung gegenüber der bestehenden Stadt Ende des 19. Jahrhunderts. Der Publizist Theodor Fritsch bezeichnete die Stadt als wüsten Steihaufen und Lasterparadies. Dem Volk soll in solchen Industriezentren und Großstädten schwere Gefahren und ein schnelles Aussterben drohen. Auf der anderen Hand sagte er jedoch, dass Städte auch für die Bedürfnisse größerer Nationen zuständig seien. Zusammengefasst war sein Ideal, im Zusammenhang mit der Zonierung, eine kleine sowie überschaubare Stadt mit bautypologischen und klassengetrennten Zonen zu schaffen, wo auch Grund und Boden dem Gemeindeeigentum gehöre.


Der Erfinder der Gartenstadt, Ebenezer Howard, veröffentlichte 1897 die Schrift "Garden Cities Of Tomorrow", in welcher die Vorteile einer Paarung der städtischen Lebensweise mit einer naturnahen Ansiedlung beschrieben werden. Vorteile wären unter anderem ein besseres Gesellschaftsleben, ein großes kulturelles Angebot sowie soziale Solidarität.
Ebenezer Howard wollte das Grundeigentum abschaffen und das Siedlungsgebiet zum Eigentum der Gemeinde erklären. Aber auch hier entstehen mehrere funktionale Bereiche durch die Trennung der Zonen. Diese entwickeln sich kreisförmig nach außen. Durch die Manipulation der gebauten Umwelt, wollte man auf Beziehungen und soziale Prozesse einwirken und somit wurde die Gartenstadt zu einer der populärsten Planungsmodelle der Moderne.


Das Ziel Le Corbusier´s war es, die Stadt nach bestimmten Prinzipien zu gestalten, wie z.B. durch die industrielle Rationalisierung. Für ihn war der industrielle und serielle Wohnungsbau eine Revolutionierung der Architektur. Aber auch er hegte antistädtische Gedanken, die aber zu dieser Zeit normal waren.


Le Corbusier strebte die Trennung der menschlichen Funktionen in Wohnen, Arbeiten, Kultivierung von Körper und Geist sowie Fortbewegung an. Auch dieses Modell fand schnell Anklang und so wurde beschlossen, dass Wohnen, Arbeiten, sich erholen sowie sich bewegen, die vier Funktionen sind, in denen sich der Schlüssel zum Städtebau befindet. Nach diesemPunkt erfolgt die Trennung einer Stadt nun nicht nur aus baulichen Kriterien, sondern auch nach Funktionen.


Die gegliederte Stadt ist nun die städtebauliche Weiterentwicklung des Prinzips der Funktionstrennung. Der Stadtkörper ist krank und muss gesund werden, so laut dem Stadtplaner Johannes Göderitz. Die Antwort auf die Frage, was die Stadt denn nun so krank mache, wäre zum einen die Prostitution, allgemeine asoziale Elemente und dass die Stadt der Verbrecherwelt Unterschlupf gewährt. Die Wohnverhältnisse in Stadtteilen genügen nicht mehr dem neuzeitlichen Leistungsansprüchen, vor allem ungesund sollten die dicht und vielgeschossig bebauten Stadtteile und Altstadtviertel sein. Göderitz machte den Vorschlag, Menschenmassen in kleinere, übersehbare, einander über und untergeordnete Einheiten aufzugliedern. Die Stadt wird durch die Festsetzung der Art der Nutzung gegliedert und zwar in folgende Gebietstypen:Wohngebiete, Misch- sowie Gewerbegebiete. 


Die Autorin Jane Jacobs hatte das Ziel, dass der Gesellschaft mit städtebaulichen Mitteln gedient wird und nicht andersherum, eine Änderung der Gesellschaft durch städtebauliche Planung hervorzurufen. Für die Entstehung einer Stadt, sollen mindestens zwei Funktionen an einem Ort wie z.B. Wohnen und Arbeiten vermischt werden. Es soll eine Mischung von Gebäuden nach Alter und Zustand zustandekommen sowie die Konzentration von genügend Menschen auf einem Raum. Dafür aber keine große Dimensionierung von Baublöcken. Die These beinhaltet zur damaligen Zeit noch: Seuchen und Revolte durch die Großstadt. Die Antithese dagegen wirbt mit Offenheit und Toleranz durch eine städtebauliche Planung.


Die soziale Mischung ist das Pendant zur Nutzungsmischung und zusammen bilden sie das Leitbild der urbanen Mischung. Ziel ist es, soziale Bewohnerstrukturen zu schaffen und zu erhalten. In den 1970er Jahren kam es zu einer zunehmenden Migration in Westdeutschland, was zu einer Problematisierung der räumlichen Verteilung der Migration führte. Auf die soziale Mischung folgt direkt das Wort Trennung durch Segregation. Hierbei handelt es sich um die Verräumlichung sozialer Ungleichheit und tritt nach folgenden Merkmalen auf: Nach sozialem Status, den demografischen Merkmalen und nach ethnischen, religiösen sowie kulturellen Kritierien. Aufgrund der räumlichen Konzentration werden ohnehin sozial benachteiligte in Handlung- und Partizipation, also Teilnahmemöglichkeiten, weiter eingeschränkt. Die wachsende sozialräumliche Differenzierung bewirkt die Konzentrierung sozialer Probleme in Quartieren, dadurch bewirkt die Segregation wiederum, die soziale und ethnische Spaltung und Polarisierung der Städte. Der Wohnort wird zur Quelle von Ungleichheit und Benachteiligung und somit entstehen Orte der Ausgrenzung für die Ausgegrenzten. Die Segregation würde für die sozial Schwächeren sogar weiter verschärft werden, wenn die ausländische und einhemische Mittelschicht mittels Exitstrategie aus solchen Gebieten zieht.


Neben der Segregation, ist auch die Gentrifizierung ein wichtiger Begriff in diesem Kontext. Mit Gentrifizierung ist die Attraktivitätssteigerung von Quartieren mit anschließendem Zuzug gemeint. Innenstadtnahe Altbauquartiere boten und bieten sich als günstiger und urbaner Wohnstandort für Künstler und Intellektuelle an. Dieser Zuzug löst die Erhöhung der Wohnungsmieten aus und verdrängt sowohl die Zugezogenen als auch die ursprünglichen Einwohner. Auf diese Weise entsteht eine Wiedersprüchlichkeit des Leitbildes der gemischten Stadt. Denn durch die Aufwertung bestimmter Wohnviertel, verdrängt man die Menschen, die die Urbanität dort überhaupt ausgemacht haben. Die innenstädtischen Wohngebiete sind teuer und die Ränder der Städte sind für die eher einkommensschwachen Bürger geeignet. So wird die sozialräumliche Polarisierung und das Auseinanderdriften der Stadtgesellschaften immer unübersehbarer. Die in Deutschland herrschende sozioökonomische Ungleichheit bekommt sozialräumliche Ausrucksformen, die sich durch eine hohe Zahl an Arbeitslosen, Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängern bemerkbar macht. Die Quartiere werden so mehr und mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt und Wohnkomplexe werden zunehmenden abgeschirmt. Die soziale Mischung selber steht für eine gewachsene Urbanität, eine gemeinsam empfundene Identität, kulturelle Vielfalt, spontane öffentliche Begegnungen und für sozialen Zusammenhalt.


Die soziale und ethnische Mischung sind kaum voneinander trennbar. Positiv ist die multikulturelle, ausgewogene ethnische Bevölkerungsschicht, wohingegen nagativ die Entstehung homogener Ghettos ausfällt. Besonders Frankreich und England sind davon betroffen. Die These besagt, dass viel Kontakt mit dem Fremden, zu einem besseren Verständnis und zum Abbau von Vorurteilen führen kann. Der Soziologe Louis Wirth war z.B. auch der Auffassung, Großstädte seien die Brutstätten von Toleranz und Zivilisation. Denn in den Städten gelingt am besten die Integration gemischter Lebensstile und Kulturen. Der Stadtmensch zeichnet sich durch eine kosmopolitische also weltoffene Haltung aus. Der Kontakt zwischen ethnischen Gruppen kann zu einer Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen führen. menschen haben Vorurteile, verspüren eine gewisse Aggression und lehnen das Fremde ab. Gründe dafür wären unter anderem Abstiegsängste, die Konkurrenz um knappe Güter, Unsicherheit über die eigene soziale Position oder auch der unfreiwillige Kontakt. Es liegt auch eine sogenannte ethnische Segregation vor. Migranten ziehen gezielt in bestimmte Quartiere, um dort auf bereits vorhandene Netzwerke zurückzugreifen. Man könnte in diesem Fall auch von freiwilliger Segregation sprechen. Um noch steuern zu können, wer in welches Siedlungsgebiet ziehen darf und so auch die soziale und ethnische Mischung etwas anzukurbeln, wurde von 1975-1990 in West-Berlin unter anderem, eine Zuzugsperre für Einwanderer verhängt. Ziel war es auch für eine Entballung zu sorgen und den Ghettoisierungstendenzen entgegen zu wirken. Aufgehoben wurde sie nicht nur vielleicht weden des diskriminierenden Beigeschmacks, sonder weil sie nicht ausreichend gewirkt hatte. Es müssen entsprechende Wohnungsangebote auch in anderen Quartieren vorgelegt werden. Wichtig ist es, das Selbstbestimmungsrecht einer Person nicht zu verletzen. Auch heute noch wird eine ethnische Mischung angestebt. Doch zeitweise machte sich das Gefühl breit, das gemischt werden muss, also das man es durch die Steuerung der Wohnungswirtschaft erzwingen muss, solang man einen bestimmten Mischungsanteil erreicht hat. Es wird auch von Sozialghettos der Zukunft gewarnt. Fallbeispiele zeigen, dass durch den schlechten Zustand nicht renovierter Wohnungen, durch hohen Vandalismus und durch die Vernachlässigung der Freibereiche, ein "Problem-Mikrokosmos" für Asylbewerber, Flüchtlingsfamilien und kinderreichen Familien mit geringen Einkommen entsteht.
Im aktuellen sozialwissenschaftlichen und migrationspolitischen Kontext wird erwähnt, dass die Segregation nur freiwillig erfolgen dürfe und nicht durch Diskriminierung,Wohnungspolitik oder Marktmechanismen. Die ehtnische Segregation kann aber auch als Schutz- und Übergangsraum für Migranten gesehen werden. Zudem sollten Quartiere, die durch eine Segregation bestraft sind, zumindest durch eine Stadterneuerung,einer guten verkehrlichen Anbindung sowie intensiven Infrastrukturausstattungen belohnt werden.


Lösungsvorschläge und Denkanstöße werden genannt, um dieser Art von Stadtentwicklung entgegen zu wirken.
Punkt 1 wäre Toleranz und Offenheit und ist eigentlich die Prämisse des Ganzen. Man soll sich aktuellen Debatten öffnen und nicht von vornherein verschließen. Neues zulassen und sogar aushalten, denn aus einer sozialen Mischung wird eine solidarische Stadt.
Der "Diversität-Differenz-Mischungs-Ansatz" beinhaltet die Vielfalt anzuerkennen und auch hier sie zu akzeptieren und zuzulassen. Damit ist die Vielfalt der Positionen, Kulturen, Identitäten und städtischen Aneigungsformen gemeint. Im Vordergrund steht hier auch das Konzept der Selbsthilfe, der Eigenbeteiligung von Mietern an baulichen Maßnahmen sowie die Entscheidungsmehrheit für Stadtteilbewohner in Gremien der Stadtentwicklung.
Punkt 3 ist die Mischung durch den ökologischen Städtebau zu verbessern. Die Umgestaltung des autogerechten Straßenraums, die Verbesserung des wohnungsnahen Stadtgrüns und die Konzeption von neuen Fahrradverbindungen können helfen. Wichtig ist auch der Aspekt, Flächenanteile vom motorisierten Verkehr zugunsten von Flächen für Fußgänger und Fahrradfahrer umzuverteilen, um so Menschen auch näher zusammen bringen zu können.
Der nächste Punkt beschäftigt sich mit einer weiteren Art, Mischung mehr oder weniger herzustellen und zwar durch den kommunalen also gemeindlichen Wohnungsbau. Denn durch diesen werden Nutzungsmischungen errichtet. Es soll ein bezahlbarer Wohnungsbau für ein größeres Klientel geschaffen werden. Die Förderquote ist ein Instrument der Wohnungspolitik und wird für den sozialen Wohnungsbau bei Neubauprojekten eingesetzt. Städtebauliche Planungen sind nämlich eine wirtschaftliche Belastung für Städte und Gemeinde. Deswegen sollen Planungsbegünstigte, also Personen die z.B. von der Grundstückswertsteigerung profitieren, die Finanzierung der Folgen und Voraussetzung der Planung übernehmen. Der Investitionsanreiz wäre dann ein angemessener Teil des Wertzuwachses. Planungsbegünstigte übernehmen somit die Förderquote und tragen die Kosten und Lasten der Planung. Dies kann zu einer Mischung verschiedener Einkommensgruppen führen.
Der letzte Punkt ist die Aufwertung von Randgebieten. Wenn man die sozial Schwächeren nicht in die Innenstadt bekommt, muss das Randgebiet indem sie leben, aufgebessert werden. Die Städtebauförderungsmittel werden leider meist nur in Projektideen der durchsetzungsstarken Mittelschicht gesteckt, weil diese sich auch am stärksten dafür einsetzt. Deswegen sollte der Schwerpunktbereich in der IBA, also der internationalen Bauaustellung, auf Großsiedlungen in Randbereiche gesetzt werden. Denn die IBA ist teilweise dazu im Stande, Geld und Investitionen lenken zu können. Die Bewohner sollen natürlich auch mehr Eigeninitiative zeigen, um ihr Quartier aufwerten zu wollen. Sie sollen selber Konzeption, Planung und Durchführung solcher Projekte im Blick haben, damit auch Verantwortung zeigen und neue Ideen beisteuern.


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