MASTERSTUDIENGANG - ENVIRONMENTAL DESIGN
Entwurf - Stadt als Utopie - Bremen
Erläuterungen - Commentary
Prof. Klaus Schäfer, Lehrstuhl Städtebau, Hochschule Bremen, 26.3.2009

Stadt als Utopie - Vier Entwürfe aus dem Masterstudiengang

Nicht allein die 1960er-Jahre waren die Zeit utopistischer Gedanken zur zukünftigen Entwicklung der Stadt und in ihrer Gänze war sie auch hier nicht zum ersten Male Objekt der Betrachtung (Walking City). Der theoretische Kontext war zwar auch geprägt von einer ersten Kritik an der ‚modernen’ Stadtentwicklung (wie z.B. an CIAM). Doch die Umsetzung von Nutzungstrennung, einer Auflösung in die Landschaft und die Euphorie am Individualverkehr trat gerade in diesem Jahrzehnt seinen Siegeszug an, zusätzlich berauscht von den Zukunftsbildern z.B. der Metabolisten. Was jemals aus diesen Visionen zu einer direkten Umsetzung führte (Skywalks, die in Ebenen getrennte Stadt), wurde zum Teil einer fortgesetzten Strategie im 20. Jh., der Ablösung von einer ‚überkommenen Stadtvorstellung’, die bis in die Gegenwart präsent ist.
Die mittlerweile zerstörte Stadt dient dabei sogar als fortgesetztes Motiv seiner pessimistischen Betrachtung (Megacities, Zunahme von Verkehr und Umweltbelastung, Verlust von Identität und Natur) und der damit verbundenen Stadtflucht.
Heute ist die klassische Stadt selbst zu einer Utopie geworden. - Urbanität wird zum Wunschbild einer neuen Generation, die die Bedingungen zur Herstellung von Stadt als Lebensort wieder neu erlernen muss. Der ‚Tabula rasa’ folgt nun ein Geschichtsbild in das Kontinuität eingeschrieben sein darf, doch hierfür müssen zunächst die (beziehungs-)losen Enden der Stadt wieder miteinander verknüpft werden.
Und dafür braucht es eine experimentelle Kühnheit, die in ihrer Kraft und Energie an die kreativen Vorstellungen einer utopischen Gedankenwelt anknüpft, mit dem gelenkten Blick auf eine ‚Revision der Stadt’.

 

 

Stadtautobahn auf die Anliegerspur
Die Stadtautobahn: Der Ort einer jeden Stadt, die einen Teil ihres Selbst der einförmigen Verkehrslenkung geopfert hat und die einen weiten Bereich primär die Bedeutung eines Transitraums zuordnet. Doch was hier überbrückt und damit verbinden will, ist gleichzeitig das Trennende. Weit strahlen diese Räume in die angrenzenden Teile der Stadt aus und bestimmen deren Atmosphäre und nicht zu guter letzt ist auch der ‚blinde Fleck’ selbst ein (wenn auch gestörter) Lebensraum. Diesen Lebensraum gilt es wieder zurück zu gewinnen. Der Verkehr ist das Fluidum einer Stadt, doch darf eine Verkehrsform nicht unter Preisgabe einer anderen Form der Kommunikation den Stadtraum besetzen.
Im Wintersemester haben wir exemplarisch an einem der ‚losen Enden’ von Bremen die Stadt wieder aufbaut, eine Vision für einen Paradigmenwechsel erzeugt und hier Teile der Innenstadt zusammenfügt. Ein Beispiel für die Weiterentwicklung anderer Städte soll hier städtebaulich gesucht werden und der Leitsatz ‚Innenentwicklung vor Außenentwicklung’ als der einer nachhaltigen Stadtentwicklung definiert sein.


Zukunftswerkstatt Bremen
Die Bedeutung dieses Experiments einer zukünftigen Stadtentwicklung geht über die Aufgabe des Bremer Modells hinaus. Die Verknüpfung mit dem Bild der ‚Europäischen Stadt’, als das einer durch die ‚Moderne’ geläuterten wird deutlich zu einem Zeitpunkt, wo nach einer ökologischen Entwicklung von Architektur gefragt wird. Die dichte und kompakte Stadt böte in sich selbst viele ökologische Vorteile.
Der mögliche Widerspruch aus Naturnähe und Ökologie, der Zusammenhang von Dichte und sozialem Austausch sind Themen einer Diskussion, die wir gerne mit Vertretern anderer Hochschulen anhand von verschieden Entwürfen betrachten wollen. Bremen ist hierfür ein geeigneter Ausgangspunkt auf der Suche nach ‚Utopien einer nachhaltigen Stadtentwicklung’, die sich auf andere Städte übertragen lässt.

 

 

Der Ort, die Oldenburger Straße
…folgt der Logik einer Ringstraßen-Erschließung der 1960er um das Zentrum von Bremen. Diese Logik setzt sich fort im Verkehrsknoten Breitenweg und der Hochstraße Richtung Remberti-Ring, dessen Notwendigkeit heute niemand ernsthaft verteidigen kann, lediglich die Abriss-Kosten werben für den Erhalt dieses Bauwerks. Für die brachgefallene Gleisharfe in Richtung Findorf erzeugten ‚urbanisierte Nachbarn’ Utbremen und Bahnhofsvorstadt einen Paradigmenwechsel, der diesen Bereich in den Fokus einer wertvollen innerstädtischen Entwicklungsfläche rücken würde. Das Stephaniekirch-Viertel könnte aus seiner ‚Dorflage’ gelöst, in die Innenstadt reintegriert werden und die Überseestadt konkurrierte ernsthaft mit Lagen, wie die Stadtviertel zwischen Steintor und Ostertor. Der Stadtteil Utbremen wird derzeit bis hinüber nach Walle vom überregionalen Verkehr verwüstet.
Eine Gleichsetzung der Trasse im Verlauf der Oldenburger Straße mit Orten wie die ‚Bürgermeister-Smidt-Brücke’ oder der ‚Wilhelm-Kaisen-Brücke’ erzeugt eine gewandelte städtebauliche Vorraussetzung für die gesamte westliche Innenstadt. Dieser möglichen Verwandlung der Stadt Bremen möchten wir in unserem Projekt nachgehen.

 

 

The Utopia of the City

The Sixties were not the only era in which utopian thinkers pondered the future development of the city, nor was this the first time that the city as a whole was the object of reflection (Walking City). Although the theoretical context was coloured by emerging criticism of the Modernist movement (such as that levelled at CIAM), this was the decade in which the implementation of functional separation, the dissolution of urban structures into landscape, and euphoria over private transport entered their heyday, with the intoxicating addition of futuristic visions such as those of the Metabolist movement. Those aspects of this visions that did eventually became a physical reality (skywalks, the city divided into levels) ended up as part of a strategy of breaking with the 'traditional concept of the city' that was maintained throughout the twentieth century and is still current today.
This city, destroyed in the meantime, now serves in a continuation of this as a canvas for pessimistic analyses (megacities, increase of transport and pollution, loss of identity and estrangement from nature) and a foil to the related process of suburbanisation.
Nowadays the classical city itself has become a Utopia. Urban quality is sought after by a new generation, which has to learn the terms for producing a liveable city anew. The tabula rasa is being succeeded by a concept of history in which continuity may be inscribed, but for this to happen the loose ends of the city have to be woven together, relationships have to be re-established.
This requires experimental daring, which draws its power and energy from the creative vision inherent in utopian thought, with an eye directed towards a ‘revision of the city’.

From Urban Freeway to Residential Road
The urban freeway: a place to be found in any city which has sacrificed part of itself to circulation systems for through traffic, assigning to a large area the primary function of transit space. Here, however, what is bridged over is also a separator. Spaces like these have a far-reaching effect on neighbouring parts of the city, determining their atmosphere, and moreover this 'blind spot' is itself a habitat (albeit a disturbed one). This living space needs to be reclaimed. Traffic may well be the pulse of the city, but a particular type of traffic should not monopolise public space at the expense of another kind of communication.
In this semester, we planed to rebuild the city at one such ‘loose end' of Bremen, as an example of how to generate a vision of paradigm shift in (re)connecting parts of the inner city. The project aims to develop a model, in terms of urban design, for transformation in other cities and to define the principle of "inner growth before outward growth" as a guideline for sustainable urban development.

 

Workshop on Future Development - Bremen

This experiment in future urban development has broader significance than that of a model for Bremen alone. The relationship to the image of the European Town (Europäische Stadt) as born of a catharsis generated by the Modern movement has to be redefined at a time when there is a demand for architecture to develop in an ecological direction. The dense and compact city per se would provide numerous ecological advantages.
The potential contradiction between ecology and contact with nature and the correlation between density and social interplay are topics in a debate that we would like to resume together with other schools of architecture on the basis of a variety of projects. Bremen would be a suitable starting point for a workshop researching utopian models of sustainable urban development that would be transferable to other cities.