MASTERSTUDIENGANG - ENVIRONMENTAL DESIGN
Berlin – Stadtleben auf dem Flugfeld – Von Tempelhof nach Tegel
Die Ankunftsstadt
Marc Brandwein, Februar 2013

 „Deutsche Metropolen erleben einen beispiellosen Immobilienboom. Gebaut werden meist Luxusobjekte, bezahlbarer Wohnraum wird zur Mangelware. Jetzt treibt die Knappheit auch die Mieten in die Höhe - und die Bürger aus den Zentren.“ 
Ein Artikel aus dem aktuellen Spiegel beschreibt, wie durch Wohnungsmangel, fehlender sozialer Wohnungspolitik und des über Angebots an Luxusimmobilien mit hoher Rendite, die Mieten in deutschen Großstädten in die Höhe getrieben werden. In Berlin innerhalb eines Jahres sogar um mehr als acht Prozent. Es gilt das klassische Beispiel von Angebot und Nachfrage, welches hier unverhältnismäßig wird. 
Das Angebot von „bezahlbarem“ Wohnraum wird durch den Boom und das große Angebot von Luxusobjekten überstiegen. Entstehen Luxusimmobilien (Neubau oder Sanierung) in den beliebten innerstädtischen Quartieren drücken die Mieten der umliegenden Bebauungen in die Höhe und die Menschen damit aus den Zentren (Gentrifizierung). Zuvor bewohnen häufig Künstler, „Kreative“ und Studenten diese Viertel. Durch diese gewinnen sie an kultureller Beliebtheit und werden damit attraktiv für „Außenstehende“. Der Prenzlauer Berg in Berlin oder „das Viertel“ in Bremen sind Musterbeispiele dieser Bewegung. 
Sind nun in naher Zukunft alle Quartiere besetzt, bleiben den „Verdrängten“ nur noch die für sie weniger attraktiven Stadtviertel. Meist außerhalb des Zentrums gelegen, mit anderen baulichen und weniger städtischen Strukturen wird den neuen Bewohnern ein neuer Lebensstil aufgezwängt. Die Vorteile der Stadt, wie die Mobilität, die soziale Durchmischung, das Kulturangebot, die kurzen Wege usw. wird ihnen verwehrt und neue Lebensumstände in Monostrukturen zwängen sich auf. Die Gesellschaft wird weiter auseinandergetrieben. Reich wohnt im Zentrum, „arm“ am Stadtrand. Was Segregation der Bevölkerung zur Folge hat, konnte man vor einigen Jahren in Paris beobachten. Dass diese Tendenz der Segregation kein Gespenst ist, sieht man allein daran, dass es in Berlin Marzahn, einem am Rand der Stadt durch Hochhäuser und Zeilenbebauung geprägten Stadtteil, den geringsten Wohnungsleerstand seit Jahrzehnten gibt. 
Die Öffnung der innerstädtischen Quartiere auch für weniger wohlhabende Menschen bzw. die Öffnung für alle, hat auch in Bezug mit den Folgen des demographischen Wandels eine wichtige Funktion. Ein zukünftiger enormer Zuzug von Menschen aus dem Ausland, welche hier in Deutschland als Arbeitskräfte aller Schichten benötigt werden, muss vor allem in den Städten aufgefangen werden. Um eine Integration zu erleichtern, ist es wichtig diese Menschen in die gut infrastrukturierten, mit Netzwerken ausgestatteten innerstädtischen Viertel ankommen zu lassen. 
Die direkte Beziehung von Innenstadt zu Randbezirk (Tempelhof und Tegel) wird deutlich und wichtig. Was in der „Innenstadt“ passiert, hat direkte Auswirkung auf die städtischen Randbezirke. 
Damit stehen die innerstädtischen Quartiere vor der Frage, wie sie Gentrifizierung verringern können und wie bezahlbarer Wohnraum erhalten oder geschaffen wird.
Die Randbezirke stehen vor der Frage, wie man vorhandene Strukturen in das Stadtbild eingliedern kann, um der „neuen“ Bewohnerschaft gleiche innerstädtische Qualitäten zu bieten, um nicht zum Exil für „Minderheiten“ zu verkommen.

 

Rahmenplan i.M.: 1:2.500

 

Die Blockrandbebauung als ein städtebauliches Ideal und als typischer Berliner Städtebau ist der Ausgangspunkt für den „Konzeptblock“. Der geschlossene Block formt den Straßenraum, dient der Orientierung, trennt Privat von Öffentlich, führt das Berliner Stadtbild fort und bildet den Rahmen für das Konzept. Ab einer gewissen Blockgröße (ca. 200 x 200m) ist es möglich im Rahmen (des Blocks) verschiedenste städtische und nicht städtische Strukturen zu etablieren: Siedlung, Reihenhäuser, Stadtvillen, Solitäre, Industrie, Gewerbe, Parks oder völlig neue experimentelle Wohn- und Lebensformen wie die der Gecekondular* (Selbstbauhäuser). Alles erscheint möglich, ohne das Stadtbild (das Ideal?!) zu stören oder zu unterbrechen. Es bilden sich eigene Quartiere heraus, die in erster Linie mit dem Stadtbild brechen können (auch maßstäblich), ohne dabei aus der Stadt verschwinden zu müssen. Es besteht die Möglichkeit, Strukturen aus dem Stadtrand in die Stadt zu holen, eingeschlossen ihrer Bewohnerschaft. Somit ist eine Beziehung zwischen Stadtrand und Innenstadt hergestellt. 
Die Quartiere werden über Gassen (ca. 7 m Breite) erschlossen. Die Durchwegung erfolgt auf ebenso breiten Straßen. Jedes Quartier erhält einen „Marktplatz“ als Identifikationsstiftung. Ein Vergleich hierzu böte ein mittelalterliches Stadtbild mit Stadtmauer (Blockrand) und Stadt (Quartiere).

*informelle Siedlung Türkei, Sg. Gecekondu

 

Dem Prinzip des Städtebaus (Rahmen und Füllung) folgt die Typologie des Quartiers der Selbstbauhäuser. Jeder Parzelle wird ein Rahmen gegeben. In diesem Fall eine Mauer mit Erschließung und der Möglichkeit konstruktiv aufzubauen. (Träger liegen waagerecht über der Mauer). Je nach Bedarf kann der Bewohner nun zunächst einen kleinen Teil der Parzelle überbauen. Fundament, Hausanschluss und Außenwand (Mauer) sind gegeben. Der Bewohner muss diese „nur überdachen“. Verändern sich nun finanzielle oder familiäre Gegebenheiten, besteht die Möglichkeit innerhalb des Rahmens weiter zu bauen (Bauen zu lassen), jedoch immer nur so viel wie möglich, bzw. nötig. Durch die schon vorhandenen konstruktiven und materiellen Gegebenheiten kann das Bauen vereinfacht und somit kostengünstiger von statten gehen. Durch den Kauf des Eigenheims soll nun die Grundlage der individuellen Entfaltung geschaffen werden - privat wie auch beruflich, durch beispielsweise kleine Betriebe, Werkstätten oder Ateliers, die sich daraus entwickeln dürfen. So könnten Netzwerke entstehen, die das Quartier als befruchten und belebend für die ganze Stadt werden lassen.