Hochschulseminar – Mythos Hochhaus
 
Torre de David | Caracas, Venezuela
Léo Schulz, Stephan Rump, 27.01.2017
The skycrapper called „Torre de David“ in Caracas has been the showplace for one of the most interesting stories of communal living of our time.
The building got its nickname from the investor David Brillembourg who planned it as a new financial center in the heart of Caracas. The construction began in 1990 and stopped abruptly in 1994, caused by the death of Brillembourg in 1993 and a financial crisis occurring in Venezuela.
The 190 meters high tower with its adjoining buildings had been completed up to about 60 % and in lack of a new investor the building complex remained unfinished and empty until 2007.
Due to a housing shortage in Caracas and the poverty of people living in slum-like conditions, a fellowship of about 900 families occupied the „Torre de David“ which provided them with shelter and a central place to live. The occupation was tolerated by the government and the community organized itself in the following years. The building complex they moved in to, had no technical structures as electricity or running water. Over the years the inhabitants managed to build not only the basic supply of these needs, but furthermore a whole infrastructure inside of the skyscraper.
They established a hierarchical but democratic community in which  agreed rules had to be followed and everyone had to contribute to the project. The people had built their own flat-dividing walls and lived up to the 28th floor without any elevators in the building.
After early problems with criminal activities and accidents in the bare shell building, a „city in the city“ had developed. Within the building plenty of small businesses developed, which provided all kinds of services. For example a car repair shop, a dentist and several grocery stores.
In 2014 the commune like tower-society has been dispersed and its inhabitants were relocated to the city outskirts. The entire process was planned in cooperation with the people living inside the tower and most of them appreciated the relocation. The new flats came with basic equipment and were free of rental costs for the first year. After this time period a market based rent had to be paid by the new inhabitants.


Abb. 01: Perspektive Torre de David, Caracas, Venezuela


Der „Torre de David“ genannte Wolkenkratzer befindet sich im Zentrum von Caracas in Venezuela. Als Finanzzentrum und Hotel geplant, begann 1990 der Bau des 190 Meter hohen Turms im Herzen der Hauptstadt Venezuelas. Den dem Gebäude heute anhaftenden Namen erhielt das ursprünglich als „Centro Financiero Confinanzas“ benannte Bauwerk von der Bevölkerung, in Anlehnung an den Investor David Brillembourg. Das 45 Stockwerke beinhaltende und prestigeträchtige Bauvorhaben kam 1994 zum Erliegen, nachdem Brillembourg 1993 verstarb und zugleich eine Finanzkrise das Land erschütterte. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 60 % der Anlage fertiggestellt, zu der, neben dem Turm, weitere Nebengebäude, wie ein angrenzendes Parkhaus, gehörten. Das Skelett, welches nur teilweise mit Fassadenelementen verkleidet war und keinerlei Technik enthielt, stand daraufhin, aufgrund fehlender Investoren, jahrelang leer.


Abb. 02: Städtebauliche Umgebung

Abb. 03: Torre de David, Fassade
Abb. 03: Torre de David, Fassade

Im Jahr 2007 wurde das Hochhaus durch zunächst ca. 900 Familien in einem friedlichen Ablauf besetzt. Die aus ärmeren Gebieten der Stadt oder aus Slums stammenden Menschen, suchten in dem Gebäude Zuflucht und fanden, im Gegensatz zu den Baustrukturen der Slums, ein festes Dach sowie eine zentrumsnahe Lage im „Torre de David“ vor. Ein weiterer Grund für den Zusammenschluss und die Besetzung des Gebäudes ist in der akuten Wohnungsnot der Zeit in Caracas zu finden, gegen welche von der Regierung nicht in ausreichendem Maße vorgegangen wurde.
Die im Vorfeld organisierte Gemeinschaft wurde von der Regierung toleriert und begann das Gebäude zu bewohnen sowie für ihre Zwecke auszubauen. Die zunächst noch sehr einfachen Methoden, wurden im Laufe der Jahre immer weiter professionalisiert, sodass der Torre de David bald deutlich bessere Lebensbedingungen bot als es in Slums je denkbar gewesen war.


Abb. 04: Erste Unterkünfte


Abb. 05: Bau der ersten Wohnungen


Abb. 06: Ausgebaute Wohnung und Außenansicht

In Eigenregie wurde die so dringend benötigte Versorgung mit Elektrizität aber vor allem mit fließendem  Wasser hergestellt. In den Anfängen musste jeder Liter Wasser die Treppen des Turms hinaufgetragen werden, bis ein sehr effektives aber simples System aus Wassertanks und Leitungen Abhilfe schaffte. Die geduldeten Besetzer waren nach einiger Zeit sogar in der Lage legale Lösungen für die Zuleitung des eben genannten Wassers und des Stroms zu finden. Wurden zunächst Leitungen der Stadt illegal angezapft, bezahlten nach einiger Zeit alle Bewohner die verbrauchten Mengen an die Stadt.


Abb. 07: Bewohnte und bespielte Bereiche


Abb. 08: Grundriss 10. Obergeschoss


Abb. 09: Wasserversorgung

Die Organisation im Turm ist hier besonders hervorzuheben, war sie doch beachtlich gut strukturiert. Nach anfänglichen Problemen mit Kriminalität und den teilweise tödlichen Gefahren des Rohbaus, wurde eine hierarchisch aufgebaute Gemeinschaft gebildet die demokratischen Prinzipien folgte. Jedes Geschoss benannte einen Beauftragten welcher dann in Sitzungen mit den anderen „Geschossvorsitzenden“ einen Präsidenten wählte. Dieser vertrat die Gemeinschaft in Fragen welche die Kommunikation mit der Stadt betrafen. Zudem wurden Verhaltensregeln aufgestellt, die bei Missachtung in einem 3-Punkte System abgemahnt wurden und im Extremfall zu einem Rausschmiss aus dem Gebäude führen konnten. Mit diesen Regel konnte die Kriminalität auf ein Minimum gesenkt werden und durch gemeinschaftliches Ausbauen der Gefahrenbereiche, sanken auch die Unfallzahlen drastisch.
Im Laufe der Jahre bildete sich so im Gebäude eine Art „Stadt in der Stadt“.
Zu dieser gehörten unter anderem ein zentrales Tor welches den Einlass in den Komplex regulierte und sicherstellte, dass nur Bewohner hineingelangten. Die geschossweise aufgestellten Putzpläne, der alle Bewohner einschloss, sorgten für Hygiene. Neben diesen Grundregeln entstanden im Turm selbst diverse, kleinere Dienstleistungsbetriebe und Lebensmittelläden. Die Lebensmittelpreise innerhalb des Turms waren reguliert. Je höher ein Laden gelegen war umso höher durften die Preise innerhalb eines bestimmten Rahmens angepasst werden um die zusätzlichen Transportkosten auszugleichen. Zu den Dienstleistungen zählten unter anderem ein Zahnarzt, ein Schneider ein primitives Fitnessstudio, eine KFZ-Werkstatt, ein Schuster, ein Friseur sowie Kinderbetreuung in Form einer Kindertagesstätte.
In den Läden in denen Nahrungsmittel und sonstige Alltagsgegenstände erworben werden konnten, galt ein striktes Verbot des Verkaufs von Alkohol. Diese Regelung wurde, im Zusammenhang mit den vorhandenen Gefahren, durch nicht vorhandene Geländer und Brüstungen sowie der zuvor angesprochenen Kriminalität gefunden.

Die zunächst leeren Geschosse wurden nach und nach mit Mauern unterteilt und über die Zeit entstanden so geschätzte 1200 Wohnungen oder wohnungsähnliche Behausungen. Baumaterialien für diesen Ausbau des Rohbauzustandes waren hauptsächlich Ziegelsteine und Sperrholz. Die vertikale Erschließung des Turms fand ausschließlich über die Treppen statt, da keine Aufzüge vorhanden waren. So entstanden, innerhalb des Turms, kleinere Transportunternehmen, die Waren zu Fuß bis in den 28. Stock brachten, der als höchster bewohnt war.


Abb. 10: Interne Infrastruktur


Abb. 11: Friedliche Umsiedlung

Nach sieben Jahren des Bestehens dieser „Stadt in der Stadt“, wurde 2014 ein Plan zur Umsiedlung der Bewohner und einer Neunutzung bzw. Fertigstellung des Wolkenkratzers aufgestellt. Der Torre de David hatte zu diesem Zeitpunkt bereits weltweit Aufsehen erregt und war Inhalt vieler Dokumentationen und Reportagen.
Um diesen aus Sicht der Regierung schändlichen Fleck im Zentrum der Stadt zu entfernen und das prominent gelegene Grundstück, bzw. die vorhandene Baustruktur wieder nutzen zu können, wurden 2014 insgesamt 1156 Familien in das 1,5 Std. entfernte Ciudad Zamora umgesiedelt.
Die hier entstandene Wohnsiedlung wurde für diesen Zweck geplant und errichtet. Sie versuchte Elemente des Zusammenlebens und der Organisation des Turms zu integrieren. Die Wohnungen in der Siedlung wurden mit einer Grundausstattung übergeben und waren für die ersten zwölf Monate mietfrei bewohnbar. Daraufhin sollte eine dem Markt übliche Miete erhoben werden.
Die meisten der Bewohner begrüßten das Vorhaben und waren mit den ausgehandelten Bedingungen sehr zufrieden. Die Umzüge wurden mit Hilfe des Militärs, in Zusammenarbeit mit den Menschen aus dem „Torre de David“, im Laufe mehrerer Monate realisiert. Dieser friedliche Prozess bildete das Ende des frei entstandenen Wohnprojekts in Caracas. Die beachtliche Entwicklung des selbstorganisierten Zusammenlebens, im Zusammenhang mit der Bauform des Wolkenkratzers, ist wohl weltweit einmalig gewesen.

Quellenangabe:

„Torre David“ (Kurzfilm), Urban-Think Tank
„Venezuela‘s Tower of Dreams“ (Dokumentation)
Torre David: Informal Vertical Communities  Alfredo Brillembourg, Hubert Klumpner ISBN: 978-3037782989
messynessychic.com www.messynessychic.com/2013/05/07/anywhere-but-here-deserted-banking-empire-turned-skyscraper-slum
thedailybeast.com www.thedailybeast.com/articles/2016/04/24/inside-the-tower-of-david-venezuela-s-vertical-slum.html
baumeister.de www.baumeister.de/bedeutet-die-raeumung-des-torre-de-david
biorama.eu www.biorama.eu/torre-de-david-caracas
UrbanThinkTank https://www.facebook.com/UrbanThinkTank
Torredavid.com
nymag.com nymag.com/homedesign/urbanliving/2011/caracas/
archdaily.com www.archdaily.com/325204/torre-david-informal-vertical-communities-urban-think-tank-iwan-baan
blogspot.de torredavid-organization.blogspot.de
domusweb.it www.domusweb.it/en/architecture/2011/04/28/the-tower-of-david.html
architizer.com architizer.com/blog/alejandro-cegarras-photos-offer-an-intimate-glimpse-of-life-inside-the-torre-david
typepad.com www.irenebrination.typepad.com/irenebrination_notes_on_a/2012/11/torre-david.html
afasiaarchzine.com afasiaarchzine.com/2012/08/urban-think-tank-brillembourg-klumpner
arch2o.com www.arch2o.com/hello-goodbye-worlds-tallest-slum
Abb. 01, Bildvorlage: Torre David: Informal Vertcal Communites Alfredo Brillembourg, Hubert Klumpner ISBN: 978-3037782989
Abb. 02-10: Torre David: Informal Vertcal Communites Alfredo Brillembourg, Hubert Klumpner ISBN: 978-3037782989
Abb. 11: jacques.tourtaux.over-blog.com.over-blog.com/article-venezuela-photos-au-coeur-de-caracas-une-nouvelle-victoire-contre-le-neo-liberalisme-124481137.html