Hochschulseminar – Mythos Hochhaus
 
Das Hochhaus in der Fotokunst
Étienne Schuhmacher, 11.02.2017
At the beginning of the 20th century New York was a city of change. The economical recovery has led to an increase of the building-structure. Therefore the city developed a view skyscrapers which have been symbols for economic virility.
At this time these skyscrapers became the centre of architecturefotography.
In the following contribution the beginning of the skyscraper-fotography will be described, refering to the photographers Alfred Stieglitz and Edward J. Steichen. The changes this kind of fotography has been going through the centuries, will be described by modern photographers like Andreas Gursky and Georg Aerni, who gave the humans life inside the buildings or the public space around a higher importance.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts war New York eine Stadt, die sich stark veränderte. Der wirtschaftliche Aufschwung führte dazu, dass die Stadt schnell zu wachsen begann, wodurch viele Hochhäuser entstanden, die das Symbol wirtschaftlicher Stärke waren.
Deshalb rückte das Hochhaus in den Fokus der Architekturfotografie.
Im folgenden Beitrag werden die Anfänge der Hochhausfotografie dargestellt und die Veränderungen in jener Fotokunst, die über die Jahrzehnte zu beobachten waren.
Ein Beispiel hierzu ist, dass sich die Motive der Fotografen veränderten. Somit erlangte der öffentliche Raum und mit ihm das Leben des Menschen eine höhere Bedeutung für die Fotografien, als die Gebäude selbst.



Das Flatiron-Building wurde 1903 von dem US-amerikanischem Fotografen Alfred Stieglitz während eines Schneesturmes aufgenommen. In seiner Fotografie wollte er die Dynamik des Gebäudes einfangen und mit ihm die rasante Veränderung New Yorks mit seinem architektonischen Wachstum.
Die damalige Bewunderung Stieglitz' für dieses Gebäude ließ jedoch schnell nach. Die voranschreitende Technik ermöglichte es höhere und spektakulärere Gebäude zu konstruieren, sodass das Flatiron-Building für ihn „glanzlos und nicht mehr repräsentativ für das Land und die Zeit“ sei. Er würde es nicht noch mal fotografieren wollen, sagte er in seiner Biografie.



Diese Fotografie von Alfred Stieglitz thematisiert die architektonischen Veränderungen zu jener Zeit in New York. Die neu erbauten Wolkenkratzer wurden zwischen niedrigen und älteren Gebäuden gebaut, sodass eine Mischung entstand, die Stieglitz einfing. Die Übergänge zwischen alter und neuer Bausubstanz machten für ihn den Geist der Stadt aus und nicht das einzelne Gebäude.



„From my window at an american Place“ ist aus dem 17. Stock eines Hochhauses aufgenommen, in dem sich Alfred Stieglitz zu dieser Zeit viel aufhielt. Hier fängt er das Spiel von Licht und Schatten auf verschiedensten Oberflächen ein. Ein stets wiederkehrendes Motiv in seinen Fotografien ist auch hier zu erkennen: Die Mischung aus gebauten und entstehenden Hochhäusern, die die Veränderungen New Yorks ausdrücken.
In seiner Biografie betonte er mehrfach, dass er sich an diesem Ort sehr wohl fühlte.



Im Fokus der Fotografie „City of Ambission" liegen zwei Hochhäuser aus dem Finanzdistrikt New Yorks.
Für Alfred Stieglitz ist New York die modernste Stadt der Welt auf Grund seiner Architektur und Infrastruktur. Die Stadt strebt danach wirtschaftlicher Stärke, auch durch seine Bauwerke, zu demonstrieren.



Die Herausforderung beim Fotografieren des Empire State Building war für Edward J. Steichen, die monumentale Wirkung des Gebäudes auf eine zweidimensionale Fotografie zu übertragen.
Steichen machte viele Spaziergänge durch die Straßen New Yorks und versuchte die „Schönheit und die Bedeutung“ der Hochhäuser mit seiner Kamera einzufangen, jedoch war das Empire State Building lange eine große Herausforderung für ihn. Er hatte regelrecht „Angst“ davor, das Gebäude nicht in der Form darstellen zu können, wie er es empfunden hatte. Schließlich assoziierte er das Gebäude mit einem Maibaum (Maypole) und entschied sich dazu, das Foto dahingehend zu manipulieren, bis es seiner Empfindung gerecht wurde. Demzufolge legte er zwei Negative übereinander, um so eine Dreidimensionalität zu erzeugen, die die „Dynamik und die Energie“ des Gebäudes einfängt.



Steichen fotografierte das Flatiron Building ein Jahr später als Stieglitz. Anders als sein Mentor entschied er sich dazu Menschen in seiner Fotografie abzubilden. Außerdem teilte er dem öffentlichen Raum so viel Raum zu, dass die Spitze des Hochhauses das Format des Fotos verlässt. Anders als in seiner Fotografie „The Maypole“ gibt es keine dynamische Perspektive oder einen hohen Detaillierungsgrad der Fassade. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Rolle des Gebäudes in seiner gebauten Umgebung. Die Fotografie ist in mehrere Ebenen gegliedert. Es gibt einen Vordergrund, in dem Äste und Menschen abgebildet sind. Dahinter befinden sich weitere Bäume, Menschen und Laternen. Erst im Hintergrund offenbart sich das Flatiron Building, das mit dem dunklen Himmel der Dämmerung verschmilzt.



Bei allen drei Fotografien wird das Flatiron Building zusammen mit Bäumen aus der Umgebung dargestellt. Das eigentliche Gebäude befindet sich stets im Hintergrund, sodass es auch keine dynamische Perspektive gibt, die die Höhe überspitzt darstellt.
Der Unterschied zwischen den Fotografien besteht lediglich in der Rolle des Gebäudes in seiner Umgebung.



In Andreas Gurskys Fotografie „Paris, Montparnasse“ ist ein Wohngebäude mit einer gerasterten Fassade in einer Frontalansicht abgebildet, das die gesamte Breite des Formates einnimmt. Der untere Teil des Fotos ist von einer Grünanlage begrenzt, der obere Teil vom Himmel. Dadurch entsteht der Eindruck, als sei dies nur ein Ausschnitt eines noch viel längeren Gebäudes. Diese Wirkung erzielte Gursky, in dem er zwei Fotografien aus zwei Blickwinkel zusammencolagierte.
Die großen Maße (206x406) ermöglichen es die kleinteiligen Strukturen zu erkennen, die sich hinter jedem einzelnen Fenster verbergen. Somit entsteht ein fast voyeuristischer Blick in das Leben der Menschen, die in vielen von Gurksys Werken eine zentrale Rolle spielen.



Thomas Struth fotografierte 1954 ein ähnliches Motiv, jedoch wähle er eine dynamische Perspektive. Die Maßstäblichkeit und der Bezug des Gebäudes zum Menschen gehen verloren, weil die Architektur und die Monumentalität stark im Vordergrund stehen.



Diese Fotografie wurde von Gurksy aus einer erhöhten Position aufgenommen. Der Blickpunkt ist aus einer leicht schrägen Perspektive auf die Mitte des Gebäudes gerichtet, das obere und untere Ende ist nicht zu erkennen. Durch die innere Beleuchtung löst sich die äußere Form auf. Lediglich das Tragwerk des Gebäudes zeigen im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Farben eine Dreiteilung des Gebäudes. Ähnlich wie in Gurksys „Paris, Montparnasse“ offenbart sich beim näheren Herantreten ein anderes Bild als aus der Ferne: Durch die innere Beleuchtung zeichnen sich arbeitende Menschen in Büros ab, die Etagenweise gereiht und gestapelt werden.



Aus einem ähnlichen Standpunkt fotografierte Thomas Struth ein Pariser Hochhaus, wobei er der Umgebung des Hauses Bedeutung schenkt und nicht seinem Inneren. Die angrenzenden Hochhäuser im Vordergrund fassen das Gebäude ein und betonen seine Vertikalen. Ein Horizont im Hintergrund zeigt städtische Strukturen. Somit entsteht ein Foto in drei Ebenen, dessen mittlere von dem zentralen Hochhaus-Motiv und seinem angrenzenden Raum eingenommen wird.



Gursky nimmt hier eine große Distanz zu dem fotografierten Motiv ein. Die Hochhausreihe erscheint in gedeckten Farben, in denen keines der Häuser hervortritt. Auffällig ist, dass es kein Zentrum gibt, sodass die optische Distanz zu den abgebildeten Häusern noch größer erscheint.



Anders als Gurksy gilt das Interesse des Fotografen Georg Aerni dem städtebaulichen Zwischenraum und der Maßstäblichkeit der Gebäude im Stadtraum. Er zeigt keine Architektur der Sehenswürdigkeiten, sondern unprätentiöse Gebäude, die das Gewöhnliche zeigen und somit das wahre Leben der Menschen, die an diesen Orten leben.
In seiner Serie „Promising Bay“ zeigt er mehrere Fotografien, die den Zerfall in Mumbais Randbezirken darstellen. Die Flucht der Landbevölkerung in die Stadt hatte zur Folge, dass mehrere Millionen Menschen in zentrumsnahen Slums lebten.



Weil Mumbai eine fortschrittliche und wirtschaftsorientierte Stadt nach westlichen Vorbild sein wollte, wurden privaten Investoren bessere Konditionen versprochen, wenn sie in den Außenbezirken der Stadt Wohnanlagen für die arme Bevölkerungsschicht errichten ließen und sie somit aus dem Zentrum vertrieben. Den Fotografien lassen sich der Zerfall der zum teil leerstehenden Gebäude entnehmen und die soziale Entmischung die dadurch entsteht.



Die Serie Slopes and Houses zeigt städtebauliche Merkmale Hong Kongs, einer Stadt mit einer bewegten Topografie. Um einer Gefahr durch Erosion vorzubeugen, wurden diese ortsspezifischen Hänge mit Beton überzogen um den Grund zwischen den Hochhäusern zu stabilisieren. Die Wechselwirkung zwischen dem Bauwerk und der Landschaft sind das eigentliche Thema von Georg Aerni. Er setzt den Fokus auf die Übergangszonen zwischen vorhandener und gebauter Natur und zwischen bewusst gestalteten und vernachlässigten Räumen.



„Insights“ ist eine Serie von Fotografien, die sich mit den Zwischenräumen der Häuser und der Organisation von Infrastrukturen in einer Megacity wie Tokyo auseinandersetzt. Der Betrachter erkennt das Hauptmotiv und gleichzeitig seine weiterführende Umgebung. Gleichzeitig befindet er sich aber so nahe am Geschehen, dass er Einzelheiten und Details erkennen kann. Aerni versucht hier das Lokale einer Stadt darzustellen und nicht das Globale. Er zeigt das Leben der Menschen ohne selbst welche darzustellen, da seine Fotografien authentisch sind.



Der Anfang des 20. Jahrhunderts war speziell in New York eine Zeit der Veränderungen. Durch die wirtschaftliche Stäke veränderte sich das Stadtbild rasant, sodass Hochhäuser gebaut wurden, derren Dimensionen vorher noch nicht bekannt waren. Somit versuchten Architekturfotografen wie Alfred Stieglitz und Edward Steichen diese Zeit dokumentarisch zu fotografieren aber auch, getrieben durch ihre Bewunderung für die neuen Bauwerke, zu romantisieren. Dies gelang bereits damals durch das Bearbeiten einzelner Aufnahmen, die somit die entsprechende Wirkung verliehen bekommen haben. (The Maypole)

Auch Fotografen wie Andreas Gursky haben versucht ihre Aufnahmen so zu manipulieren, dass sie ihrer empfundenen Realität entsprachen. Hierbei war es nicht entscheidend, wie sie entstanden waren, sondern wie sie auf den Betrachter wirkten. In seinen Fotografien neigte er dazu, die Gebäude zu monumentalisieren um ein beeindruckendes Bild zu konstruieren. Dennoch war es ihm wichtig, die Rolle der Menschen in diesen Gebäuden darzustellen.
Die Beziehung von gebauter Natur und Mensch war in Georg Aernis Werken ein zentraler Teil. Er setztensich kritisch mit dem öffentlichen Räumen der Stadt auseinander, mit Maßstabssprüngen und sozialen Zerfall.