Hochschulseminar – Mythos Hochhaus
 
Der Ausblick nutzt sich ab
Prof. Klaus Schäfer, 23.12.2020
Die Überschrift fasst das unten folgende Interview von Johanna Adorján mit der Foto-Künstlerin Andi Schmied im Feuilleton der Süddeutsche Zeitung (23.12.2020) treffend zusammen, das wir hier in Kopie als JPG-Datei nur zur Ansicht einstellen.

Schon immer betreibe ich dieses kleine Experiment in Wohnhochhäusern. Ich schaue mir im Vergleich die Flure der unteren und die der oberen Etagen an. Bei der Suche nach Spuren von Aneignung forsche ich danach, inwieweit die oberen Räume vor den Wohnungen oder Appartements heimeliger sind als unten im Haus. Mich leitete anfangs die Vermutung, dass eine schönere Aussicht zu mehr Beharrung, Gestaltungswillen oder Wunsch nach Gemütlichkeit auch im Übergangsbereich, also dem Zutritt zum eigenen ‚Refugium‘ führt. – Dem ist nicht so! Solche Orte in Fluren, auch langen Korridoren finden sich hin und wieder, diese Beobachtung hat sich für mich aber als unabhängig von der Lage in einem Hochhaus herausgestellt. *
In Deutschland liegt natürlich der Verdacht nahe, dass das hiesige Regime durch Brandschutz und Hausverwaltung alle Spuren und damit Unterschiede ausmerzt, doch auch in toleranteren Regionen und Kulturen ließ sich für mich auf dieser Ebene keine Differenz feststellen.
Andere Besonderheiten im Bewohnerverhalten in Abhängigkeit zur Stockwerksanzahl haben sich schon ergeben:
Im europaweiten Schock einer mangelnden Akzeptanz von Plattenbauten in den frühen 1990er, die oft auch Hochhäuser waren, stellte sich heraus, dass sie zumeist von ‚unten‘ leegezogen wurden. In einem Gebäude, deren erste vier Etagen unbewohnt waren, so stellte sich heraus, wollte auch ‚oben‘ niemand mehr wohnen.
Die Corviale am Rande der Campagna zu Rom ist ein 10-geschossiges Wohnhaus auf knapp einem Kilometer Länge, fertiggestellt 1982, basierend auf einer zweihüftigen Anlage der Wohnungen; einem sich spiegelnden Laubengangprinzip, getrennt von einem die Hälften trennenden, ehr schlitzartigen Schacht. Von oben dringt Licht nur reduziert in die Tiefe. Viele Pflanzen stehen in den Laubengängen vor den Wohnungen der oberen Etagen, leider nimmt ihre Anzahl mit der Tiefe des Flures zum Schacht rapide ab. KS
(*Das sollte hier nicht das zentrale Thema sein: In kleineren Gebäuden gibt es sehr oft diese Zonen der Aneignung vor Geschosswohnungen.)