Bachelorthesis - Hochschule Bremen
 
BA 2014, Alte Neustadt, Bremen
Sebastian Hotho, August 2014

NEUSTADTWOHNEN

 

Im Bereich der Alten Neustadt in Bremen entstand 2003 der Lucie-Flechtmann-Platz als Ausgleichsfläche für eine Baumaßnahme der Firma „Beck und Co“. Diese bebauten dabei den „Grünenkamp“, einen traditionellen Volksplatz  und auf der anderen Weserseite gelegenes Gegenstück zum Bremer Marktplatz, der „Guten Stube“. Mit seinen 120m x 90m bzw.  50m übertrifft der Lucie-Flechtmann Platz diesen jedoch und erreicht die Ausmaße des Bremer Domshofs.

Die Lage in der Mitte des Quartiers, direkte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr der Westerstraße und die Schnittstellenposition zwischen Neustadtswall und der kleinen Weser mit direkter Anbindung zur Flaniermeile „Schlachte“ bieten optimale Erreichbarkeit. In direkter Nachbarschaft finden sich mit Mondelez, KSB, der Brauerei Beck´s und nicht zuletzt Hachez Firmensitze und Produktionsstätten von Weltweit agierenden Unternehmen und verweisen auf den industriellen Charakter der Umgebung. Städtebaulich gliedern sich die Firmenareale in die vorhandene Blockrandtypologie ein. Der Lucie-Flechtmann-Platz ist an drei Seiten von Straßen und an einer Seite vom Firmengelände der Firma KSB begrenzt, befindet sich also nicht in einer Insellage und ist damit gut einem Block zuzuordnen.  Die umliegenden Blockränder weisen nur in geringem Maße Fehlstellen auf, eine Bebauung würde das städtische Gefüge jedoch stärken und verdichten.  Zwei dieser potenziellen Baugrundstücke liegen direkt am Lucie-Flechtmann-Platz, die Blöcke schaffen es somit nicht dem Platz eine klare Kante zu geben. Diese stärkere Abgrenzung zwischen Öffentlichkeit außen und der Privatheit im Block würde dem Lucie-Flechtmann-Platz zugutekommen und ihn fassen.

In besonderem Maße trifft dies auf das an der Nordseite gelegene Grundstück Grünenstraße, Ecke Häschenstraße zu. Dieses flankiert die komplette Stirnseite des darauf zu verlaufenden trapezförmigen Platzgrundstücks. Durch die Größe, die zulaufende Form und die angrenzende drei bis viergeschossige Bauweise würde dem Platz eine städtebauliche Dominante und mehr Gewicht verleihen und weithin als wichtiges Teil im städtischen Gefüge sichtbar sein.

 

 

Rahmenplan M.: 1:1000

 

Lageplan M.: 1:500

 

Zudem wird die Aufmerksamkeit des Besuchers auf eine Seite des Platzes gestärkt und das diffuse Bild der angrenzenden Profanbebauung mit Geschosswohnungsbauten der 50er und 90er sowie dem Firmensitz der KSB abgemildert. Im Umkreis von 250m befinden sich mit dem AB-Gebäude der Hochschule Bremen und dem Firmensitz von Mondelez zwei Hochhäuser mit jeweils 11. Geschossen. Am Ende der Westerstraße in 400m Entfernung liegt mit 8. Geschossen noch das St. Pauli Stift. Um die städtebauliche Konstanz zu wahren wurde in Modellbaustudien die endgültige Höhe für die vorgeschlagene Bebauung  ausgelotet und liegt am Ende im Hochhausbereich bei insgesamt 36m. Im Modell wurde ebenso bewiesen das eine Bebauung in der vorhandenen Bauflucht, direkt an der Grundstücksgrenze den alternativen vorzuziehen ist. Ebenso der Schluss des Blockrands auf beiden Seiten des Eckgrundstücks. Durch die Definition der klaren Kante wird der Platz begrenzt und die Verbindungsstraße Häschenstraße gewinnt an Urbanität. Um die Vitalität des Platzes zu verbessern wird für den Bau eine Mischnutzung vorgeschlagen. Eine Einzelhandels und Gewerbezone im Erdgeschoss macht hier den größten Faktor aus, um den Platz zu beleben. Dort im Besonderen ein Gastronomieangebot das die Menschen zum Verweilen einlädt und sich zum und auf den Platz orientiert. Das Baugrundstück und insbesondere das Volumen werden in zwei Abschnitte unterteilt. Während sich das eine in der Höhe an den Nachbargebäuden orientiert  und über dem Erdgeschoss eine reine Wohnnutzung enthält wird der Abschnitt zur Häschenstraße die ausgeloteten 36m erreichen und die Nachbargebäude um bis zu mindestens 18m überragen.  Durch das damit erhöhte Bauvolumen können auf den ersten drei Geschossen Flächen für eine Büronutzung gewonnen werden und die Wohngeschosse darüber gewinnen durch die höhere Lage an Qualität. Durch einen Rücksprung über dem dritten bzw. fünften Obergeschoss und Loggien zu den Nutzungseinheiten wird dem Baukörper eine Ebene der Tiefe gegeben ohne das Volumen an den Kanten aufzulösen. Die Loggien weisen das Gebäude zudem als Wohngebäude aus und schaffen die Schnittstelle zwischen Platz und Gebäudeinnerem, somit auch Platzbesuchern und Bewohnern. Durch einen freien Grundriss im Turm ist die Wohnungsaufteilung und Ausrichtung variabel und bietet Möglichkeiten von drei Einzimmerwohnungen pro Geschoss, über zwei und drei Zimmerwohnungen bis zum gehobenen 150m² Loft.

 

 

Der niedrige Baukörper ist als Zweispänner mit Regelgeschoss und Orientierung zum Platz ausgearbeitet. Um einen massiven und zeitlosen Baukörper zu erhalten, der sich in das Bremer Stadtbild eingliedert, wurde mit einem „warmen“ graubunten Vormauerziegel und einem traditionellen Mauerwerksrelief gearbeitet. Durch das Relief und stehende Fensterformate gewinnt der Turm optisch an Höhe und strebt gen Himmel. Die Fassade ist einem Raster unterzogen das über unterschiedliche Brüstungshöhen aufgelockert wird, um ein zu strenges nicht Wohnungsbau gerechtes Bild zu vermeiden. Die Eingangsbereiche des Gebäudes werden durch eine Überhöhung des Erdgeschosses und einen Rücksprung in der Fassade bzw. einen Arkadengang im Bereich des Turmes betont. Das Element des Arkadengangs wird zur weiteren Präzisierung der Platzgestalt und für eine bessere Verknüpfung zum Gebäude, auf dem Lucie-Flechtmann-Platz als raumbildendes Element genutzt.

 

 

 

Schnitt M.: 1:50

 

Um mit der Typologie des Hochhauses auf so geringer Fläche möglichst wenig Platz für die Erschließung zu verlieren ist ein innenliegendes Sicherheitstreppenhaus mit Überdrucksystem entstanden. In der Tragstruktur wird nicht nur für den Turm, sondern für den gesamten Baukörper Stahlbeton genutzt, der im Bereich der Außenwände primär über Wärmedämmung und Vormauerziegel ergänzt wird. Die Decken spannen im Turm um einen möglichst freien Grundriss zu gewährleisten zwischen den Außenwänden und werden über einen Unterzug gestützt. Die Dächer werden als Flachdach ausgebildet um den klaren Baukörper zu stärken. Eine innenliegende Entwässerung, sowie Glas-Absturzsicherungen die direkt vor dem Fenster liegen, reduzieren das Gebäude weiter auf den Baukörper und den Vormauerklinker. Die Nachhaltigkeit des Entwurfs folgt weniger energetischen Standards und energieeffizienten Anlagen als Dauerhaftigkeit und Zeitlosigkeit sowie den leitenden Entwurfsideen einer Ergänzung des Städtebaulichen Bildes mit einer Aktivierung des Lucie-Flechtmann-Platzes.

 

Fassade M.: 1:20

 

 

Modell der Umgebung M.: 1:1000

 

Modell M.: 1:200