Masterthesis – Hochschule Bremen
 
Bremen Hastedt – Industriestandort als Stadtbaustein – Einleitung – Fragestellung – Vorgehen
Modar Sulieman, September 2021
Die Arbeit wurde mit einer Anerkennung des BDA-Studienpreises 2021 im Lande Bremen gewürdigt.

Abstract
Planning a sustainable city not only includes using ecological and sustainable materials, but also taking into account the living conditions of the people who live there. People's everyday life consists of 3 main areas: living, working and leisure. If we (the architects /city planners) set a large distance between these three focal points, then sooner or later this will become a problem for the affected location. On the one hand, long distances between the areas represent a permanent burden for people who, for example, have to deal with long journeys and traffic jams and thus lose quality of life. In addition, this planning would require planning more highways, using more vehicles, building more land, etc., which in turn leads to a higher environmental impact in the long term.
An alternative is to put these 3 areas close to one another or to mix them. However, this poses a special challenge because each area has its own requirements in order to function (e.g. air quality, volume, street size, building scale, ...).
In my master's thesis I would like to answer the question of how the three areas of living, working and leisure can be brought into harmony together in order to create a city district that combines the areas in an ecologically sustainable, functional and aesthetic way.
The presented urban area in Hastedt is particularly well suited for that, as the industrial history of the area meets the increasingly urban-development of the modern time.
There where a mixture of industry, trade and housing has already naturally stimulated.

Der Titel dieser Arbeit lautet „Industriestandort als Stadtbaustein“ und umfasst damit die Philosophie dieses Projektes sehr gut. Als sogenannter „Stadtbaustein“ gilt es, den Geist der Stadt zu erkennen und in der Planung so zu berücksichtigen, dass das Gebiet als sinnvolle Ergänzung des städtischen Gefüges wahrgenommen wird, die die Stadt als Ganzes im Blick hat und gleichzeitig die besonderen Gegebenheiten und Bedürfnisse des Standortes und der Menschen vor Ort berücksichtigt.
Auf der Website der Stadt Bremen unter dem Reiter „Leben in Bremen“ werden verschiedene Themen vorgestellt, die das Leben in Bremen beschreiben, gestalten und antreiben. Dazu gehört neben Wohnen, Shopping und Familienfreundlichkeit auch Kulinarik, Mobilität und Verkehr sowie Gesundheit, Sport, Grünflächen und Nachhaltigkeit.  
Ziel der Stadtplanung ist es, diese Themen so in Einklang zu bringen, dass ein Stadtgebiet entsteht, dass sich an den Nutzer_Innen orientiert, das flexibel bleibt, im Kontext miteinander steht, die Stimmung und Geschichte des Ortes trägt und nicht zuletzt nachhaltig und umweltschonend ist. Die besondere Herausforderung des Gebietes in Hastedt besteht dabei darin, dass es sich um einen Industriestandort handelt.
Zur Planung einer nachhaltigen Stadt gehört nicht nur die Verwendung ökologischer und nachhaltiger Materialien, sondern auch die Berücksichtigung der Lebensbedingungen der Menschen, die dort leben. Der Alltag der Menschen besteht aus 3 Schwerpunkten: Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Wenn wir (die Architekt_Innen / Stadtplaner_Innen) den Abstand zwischen diesen drei Schwerpunkten groß anlegen, dann wird das für den betroffenen Standort über kurz oder lang zum Problem. Auf der einen Seite stellen weite Wege zwischen den Bereichen auf Dauer eine Belastung für die Menschen dar, die beispielsweise lange Fahrtzeiten und Staus auf sich nehmen müssen und so an Lebensqualität einbüßen. Außerdem würde diese Planung erfordern, mehr Autobahnen zu planen, mehr Fahrzeuge zu verwenden, mehr Grundstücke zu bebauen etc., was wiederum langfristig zu einer höheren Umweltbelastung führt. Eine Alternative ist es, diese 3 Lebensbereiche nah aneinander zu stellen bzw. zu vermischen. Dies stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar, weil jeder Bereich seine eigenen Anforderungen hat, um zu funktionieren (z.B. Luftqualität, Lautstärke, Straßengröße, Gebäudemaßstab, …).
In meiner Masterarbeit möchte ich mich mit der Fragestellung beschäftigen, wie die drei Bereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit miteinander in Einklang gebracht werden können, um ein Stadtviertel entstehen zu lassen, dass die Bereiche sowohl ökologisch nachhaltig als auch funktional und ästhetisch miteinander verbindet.
Das vorliegende Stadtgebiet in Hastedt ist dafür besonders gut geeignet, da hier die industriell stark geprägte Geschichte des Gebietes auf die zunehmend urbanisierte Entwicklung der Neuzeit trifft und eine Vermischung von Industrie, Gewerbe und Wohnung bereits ganz natürlich und aus sich selbst heraus angeregt wird. Im Folgenden wird beschrieben, mit welchem Vorgehen ich mich der Beantwortung meiner Fragestellung nähern werde.
Um die Frage nach einer architektonischen Integration von Wohnen, Arbeiten und Freizeit mit einem passenden Stadtbaustein zu beantworten, wird nach der Auseinandersetzung mit der Stadt Bremen selbst das Gebiet in Hastedt umfassend auf Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysiert.

Dafür wird das Umfeld und die genaue Lage mit ihren Potenzialen und Problemen untersucht und die Geschichte des Gebietes ergründet, um die Bedeutung der Gebäude und die historisch gewachsene Identität und Typologie nachzuvollziehen. Anschließend wird analysiert, welche Gebäude im Bestand vorhanden sind, wie diese gestaltet sind, aus welchem Material sie bestehen und welchen Nutzen sie aktuell erfüllen. Danach wird untersucht, welche Elemente des täglichen Lebens bereits in unmittelbarer Nähe vorhanden sind und wo eventuell Bedarfe sind. Um dabei den Blick möglichst nachhaltig zu orientieren, erfolgt die Analyse nach dem Konzept der 15-Minuten-Stadt, wie es beispielsweise der Stadtplaner und Experte für Urbane Mobilität, Mikael Coville-Anderson, beschreibt. Ebenfalls dem nachhaltigen Gedanken folgend, erfolgt anschließend die Analyse des Verkehrs, bei der Überlegungen von Coville-Anderson und Jan Gehl in die Betrachtung einfließen, die beide das Verhältnis von Mensch und Fahrzeug thematisieren und betonen, dass nachhaltige Stadtplanungen nur funktionieren, wenn der Mensch gegenüber dem Fahrzeug Priorität hat. Im Anschluss daran werden Barrieren im und um das Gebiet untersucht, die dem sozialen Miteinander, dem Austausch zwischen den Stadtgebieten und dem Einfügen des neuen Stadtbausteins in das bestehende Gefüge entgegenstehen könnten.  
Als Ergebnis dieser Analysen entsteht die tabellarische SWOT-Analyse als Produkt und gleichzeitiger Ausgangspunkt für alle stadtplanerischen Überlegungen und Entscheidungen, die den Umbau des Gebietes betreffen und nun dargestellt werden.
Das vorgestellte neue Stadtgebiet soll als Versuch verstanden werden, die Stärken und Chancen des Gebietes sinnvoll zu nutzen und auszubauen, sowie den Schwächen und Risiken zu begegnen und dafür Lösungen anzubieten.
Dafür werden zunächst Lösungsvorschläge für die zentralen Probleme Isolation, Verkehr und Hochwasser vorgestellt. Anschließend wird mit Hilfe eines fundierten Abrissplans der Weg frei gemacht, um die Erschließung des Gebietes von außen zu stärken. Dies erfolgt beispielsweise durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Verschlankung angrenzender Straßen. Neben der Erschließung von außen wird auch die Erschließung innerhalb des Gebietes dargestellt. Dabei orientiert sich die Planung an den Verkehrsplanungsgrundsätzen nach Jan Gehl, wobei sich für integrierte Verkehrswege für langsame Verkehrsströme entschieden wurde.
Im Anschluss daran wird in einem Dreischritt erläutert, wie aus dem Bestand bei Übernahme der Parzellierung die neuen Gebäude entstanden sind. Dabei werden auch unterschiedliche Gebäudetypen vorgestellt, die sich aus dem Zusammenspiel von übernommenem Altbestand und Neubau ergeben.
Das Ergebnis lässt sich nun im Rahmenplan (1:1000) ablesen, der die Gebäude, die Zugänge sowie die Straßen und Freiräume abbildet. Um genauere Informationen zu geben und das Konzept näher zu erläutern wird im Folgenden ein Nutzungsplan vorgestellt, der mit Fotos ergänzt wird, die die Überlegungen zu den jeweiligen Orten mit anderen Projekten verbindet und somit das Vorstellungsvermögen unterstützen soll.
Als Vertiefungsprojekt wird eine Fläche von 10 000m² im Maßstab 1:500 dargestellt, bei der – als Muster für das restliche Gebiet – gut ersichtlich wird, wie der Neubau mit dem Bestand in Verbindung gesetzt wird und als gemeinsamer Ort für Wohnen, Arbeiten und Freizeit harmoniert. Für das gesamte Vertiefungsgebiet wurden Grundrisse der ersten Etage erstellt, um die Erschließung für die drei Bereiche jeweils darzustellen.
In einem letzten Zug werden einzelne Elemente des Gesamtkonzeptes herausgegriffen und Vorschläge zur Konkretisierung vorgestellt. Dabei geht es beispielsweise um die Gestaltung der Blockdächer, einzelne Fassadengestaltungen oder Nutzungsmöglichkeiten im Kraftwerkareal.
Die Grundzüge der Überlegungen und des Entwurfs wurden inspiriert von Jan Gehl, Mikael Coville-Andersen, Dr. Ing. Cyrus Zahiri, Prof. Klaus Schäfer und Prof. Ulrike Mansfeld. Ich bedanke mich in diesem Sinne recht herzlich für die freundliche und konstruktive Betreuung und Beratung im Entstehungsprozess dieser Thesis.




Ursprünglich ländlich geprägt wurde das Dorf Hastedt 1902 in die Stadt Bremen eingemeindet. 1907 wurde das Elektrizitäts-Kraftwerk Hastedt gebaut und führte zu einer gleichzeitigen Ansiedelung verschiedener industrieller Großunternehmen, wie das NAMAG Automobil- und Motoren-werk, das später als Hansa-Loyd und Loyd-Dynamo-Werk (LDW) bekannt wurde und die “Bremer Karos-serie-Werke Louis Gärtner mbH”, die ab 1927 in die Goliath Werke umgewandelt wurden.
1928 gründeten Wilhelmi und Goedeke die OGO-Kaffeerösterei mit über 400 Mitarbeitern. Ab 1931 verschmolzen die Loydwerke und die Goliath-Werke und fungierten als Produktionsstätte des Automobilherstellers Borgwart. Im zweiten Weltkrieg fungierte der Standort Hastedt als wesentliche Produktionsstätte für Bremens Rüstungsindustrie und wurde dementsprechend auch stark zerbombt.
War der Standort Bremen Hastedt im 20. Jahrhundert weitestgehend industriell geprägt, so nahm das Gebiet mit dem Jahrhundertwechsel zunehmend urbane Züge an. 1999 wurde das Einkaufszentrum Hansa-Carré gebaut und im Jahr 2001 wurden im OGO-Haus der ehemaligen Kaffeerösterei Ateliers und Wohnungen von Künstlern und Designern bezogen. Die industrielle Prägung innerhalb der Geschichte des Gebietes kann als wirtschaftliche und architektur-ästhetische Ressource genutzt werden und in Kombination mit der wesernahen Lage und der zunehmend urbanen Entwicklung ein enormes Potenzial entfalten, um dieses Gebiet als fruchtbaren Stadtbaustein zu erkennen.


Zur Planung einer nachhaltigen Stadt gehört nicht nur die Verwendung ökologischer und nachhaltiger Materialien, sondern auch die Berücksichtigung der Lebensbedingungen der Menschen, die dort leben. Der Alltag der Menschen besteht aus 3 Schwerpunkten: Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Wenn wir (die Architekten / Stadtplaner) den Abstand zwischen diesen drei Schwerpunkten groß anlegen, dann wird das für den betroffenen Standort über kurz oder lang zum Problem. Auf der einen Seite stellen weite Wege zwischen den Bereichen auf Dauer eine Belastung für die Menschen dar, die beispielsweise lange Fahrt-zeiten und Staus auf sich nehmen müssen und so an Lebensqualität einbüßen. Außerdem würde diese Planung erfordern, mehr Autobahnen zu planen, mehr Fahrzeuge zu verwenden, mehr Grundstücke zu bebauen etc., was wiederum langfristig zu einer höheren Umweltbelastung führt. Eine Alternative ist es, diese 3 Lebensbereiche nah aneinander zu stellen bzw. zu vermischen. Dies stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar, weil jeder Bereich seine eigenen Anforderungen hat, um zu funktionieren (z.B. Luftqualität, Lautstärke, Straßengröße, Gebäudemaßstab, ...). In meiner Masterarbeit möchte ich mich mit der Fragestellung beschäftigen, wie die drei Bereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit miteinander in Einklang gebracht werden können, um ein Stadtviertel entstehen zu lassen, dass die Bereiche sowohl ökologisch nachhaltig als auch funktional und ästhetisch miteinander verbindet.
Das vorliegende Stadtgebiet in Hastedt ist dafür besonders gut geeignet, da hier die industriell stark geprägte Geschichte des Gebietes auf die zunehmend urbanisierte Entwicklung der Neuzeit trifft und eine Vermischung von Industrie, Gewerbe und Wohnung bereits ganz natürlich und aus sich selbst heraus angeregt wird.







Wer in Hastedt mit dem Fahrrad unterwegs ist, dem bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, in Grünflächen und Parks Entspannung und Erholung zu finden. In unter 15 Minuten Fahrt mit dem Rad ist die Neue Weser, der Naturstrand Hemelingen, der Tamra-Hemelingen-Park, der Friedholf Osterholz, sowie die Galopprennbahn oder auch der Osterdeich erreichbar. Unmittelbar an das bearbeitete Gebiet schließt der Hastedter Park am Weserufer an.
Die Qualität der Lage und damit ihr Potenzial als Gebiet wird hier ganz deutlich.

Die Idee einer 15 Minuten-Stadt ist es, den Bewohnern des Gebietes alle Bereiche des täglichen Bedarfs so zur Verfügung zu stellen, dass diese innerhalb von 15 Minuten erreichbar sind (vgl. M. Colville-Andersen). Dabei geht die dargestellte Analyse davon aus, dass Kinder unter 11 Jahren ihre Bereiche fußläufig erreichen können sollten, während Bereiche erwachsener Menschen auch mit dem Fahrrad innerhalb von 15 Minuten erreichbar sein können. Die Analyse zeigt, dass im Gebiet selbst außer einem Fitnessstudio und einem Café die Dinge des täglichen Bedarfs in einem einzelnen Kaufhaus konzentriert sind. Außerhalb des bearbeiteten Gebietes finden sich in einem Radius von 1km, also etwa 15 Geh-Minuten:
1 Café - 3 Bäckereien - 3 Fahrradläden - 1 Bank/Geldautomat 4 Bars/ Kneipen - 1 Postfiliale - 1 Bibliothek - 10 Restaurants - 1 Sport-Spielfeld - 5 Hausärzte - 3 Spielplätze - 3 Grundrundschulen - 2 Parks - 5 Haltestellen - 1 Lebensmittel-Geschäft - 1 Apotheke
Die 15-Minuten-Stadt steht für Lebensqualität und Nachhaltigkeit, da auf diese Weise auf ein Auto verzichtet werden kann und alles Notwendige schnell erreichbar ist. Das Gebiet bietet also Potenzial, dieses kann jedoch durch die Ansiedlung weiterer Gewerbe weiter ausgebaut werden. So kann die Umgebung beispielsweise durch mehr Spiel- und Sportplätze, mehr Gastronomie, mehr Grünflächen, mehr Lebensmittelgeschäfte etc. attraktiver gemacht werden.