Hochschulseminar – Die Form des Städtischen
 
EXPERIMENT - Private Sphäre auf dem Marktplatz Bremen
Seher  Özalp, Mine Uygul, Fatima Dib, Nasser Asadpour Shirazi, Benjamin Bunkowski, Oliver Fuhrmann, Holger Schoefer, Johannes Fies, Marc Auda, Johannes Schmidts, Sebastian Meier, Januar 2013

„Es bilden sich eine öffentliche und private Sphäre, die in engem Wechselverhältnis steht, ohne dass die Polarität verlorengeht.“ / Hans Paul Bahrdt

Die Besetzung eines öffentlichen Raumes, in unserem Fall ein zentraler Marktplatz in einer Großstadt, hat oftmals  einen politischen also demonstrativen Hintergrund. Es geht um Aufmerksamkeit oder möglicherweise das Verlangen nach Gerechtigkeit für sich oder andere Interessensgruppen, denen öffentliches Gehör verschafft werden soll.
In unserem Fall trifft jedoch keines dieser Stereotypen zu. Wir versuchten den öffentlichen Raum mit „privatem Raum“  zu besetzen, durch das errichten einer Grenze. Diese Grenze war keine physisch  unüberwindbare Hürde oder eine große Menschenmasse, die den Bürger an der Überquerung hindern sollte. Eine kleine Interessensgruppe und ein Absperrband reichten, um die Passanten von der Überquerung des Marktplatzes abzuhalten und umzulenken.
Die Frage ob das Experiment Aufgrund von Toleranz oder Ignoranz sich problemlos ausführen lässt bleibt offen. Es hat jedoch den Anschein, dass das städtische Umfeld die Polarität von Privatheit und Öffentlichkeit unterstützt. Man kann bei dem eingenommenem Raum nicht wirklich von Privatheit sprechen, aber trotzdem beugten sich hunderte Menschen der Demarkation einer leeren Besetzung. Dies könnte an dem tiefsitzenden Respekt der Bürger vor Zäunen und Grenzen liegen.
Das städtische Leben bietet beständig eine körperliche Nähe untereinander, auf der anderen Seite aber auch Anonymität in der Masse. Diese Anonymität genießen wir, da sie uns Schutz bietet. Verlassen wir diese Anonymität, stehen wir, subjektiv, auf einem Präsentierteller. Bei dem Experiment wurde dieses starke Wechselverhältnis der städtischen Polarität sichtbar. Nur sehr wenige Bürger trauten sich, den gesperrten Bereich zu betreten, zu durchqueren oder kurz zu verweilen.

 

Start

 

Ausbreitung

 

Ausbreitung

 

Ausbreitung

 

Ausbreitung bis zur räumlichen Grenze des Platzes

 

Richtung Schütting

 

Richtung Rathaus

 

Ende der Raumnahme

 

Im Rahmen des Seminars wurde die von H.P.Bahrdt aufgestellte These untersucht. Sie diente als Anregung für das Experiment in dem getestet werden sollte, wie weit sich der öffentliche Raum für eine private Nutzungen beanspruchen lässt.
Wie reagieren die Bewohner der Stadt, wenn man versucht ihnen ein Stück ihrer Stadt weg zunehmen? Lassen sie sich in ihrem Handeln beeinflussen oder geben sie den Raum gar auf? Die Grenze zwischen dem öffentlichen Raum und der angestrebten privaten Enklave symbolisiert dabei ein einfaches Absperrband. Dieses eignete sich als beliebig erweiterbare Grenze. Die beteiligten Studenten hielten das Band und fungierten als „Grenzpfeiler“. Als Ort für das Experiment wurde der Marktplatz ausgewählt. In seiner Wahrnehmung der vermutlich öffentlichste Ort der Stadt Bremen. Zwei Stühle markieren die Mitte. Auf einem davon nimmt eine Kommilitonin Platz und List „The Image of the City“ von Kevin Lynch. Durch die geringen Abstände zwischen den Studenten entstand ein zunächst intimer Charakter. Die Passanten ignorierten die Situation, bzw. ließen sich nicht durch das Geschehen stören. Im zweiten Schritt wurde der Radius des „privaten Raumes“ in Etappen erweitert. Die Abstände zwischen  den „Grenzpfeilern“ nahmen zu. Damit verbunden war auch die Abnahme der physischen Präsenz. Trotz dessen waren die Reaktionen erstaunlich. Die Passanten nahmen, meist ohne die Umstände zu hinterfragen oder weiter zu verfolgen, Umwege in Kauf um den städtischen Knotenpunkt zu passieren. In diesem Stadium ließ sich auch ein größeres Interesse einiger umher stehender Passanten feststellen. Sie erkundigten sich nach dem Hintergrund der Aktion bei den Mitwirkenden oder fragten wie lange der Platz denn nun gesperrt sein würde.
In der vollen Ausdehnung des Kreises umfasste die Grenze beinahe den gesamten Marktplatz. Die Nutzung beschränkte sich jedoch weiterhin auf das Zentrum. Doch auch in diesem Stadium versuchte kaum ein Passant den neu geschaffenen privaten Raum zu betreten. Radfahrer stiegen von ihren Fahrrädern und trugen diese umständlich über das Treppenpodest der Bremer Bürgerschaft. Doch es gab auch kleine Widerstände. Eine Touristengruppe und ihre Führerin ließen sich nur durch einige nette Worte davon abhalten den „privatisierten“ Raum zu betreten.

 

Film zum Experiment


In Bezug auf die These von H.P. Bahrdt lässt sich also feststellen, dass schon einfache symbolische Markierungen ausreichen, um eine Grenze zu schaffen, die Menschen akzeptieren und somit eine private Nutzung des öffentlichen Raumes ohne erkennbaren Grund dulden.  Die Gegenwehr der betroffenen Städter blieb lange Zeit nahezu aus. Vielmehr noch war die hohe Akzeptanz auffällig. Der gewählte Ort trug dabei jedoch exponentiell zur Steigerung der Polarität unseres Experiments bei. Somit ist an dieser Stelle auch der Teil von H.P. Barths These belegt, in der er die höchste Polarität dort sieht, wo die  Grenze am deutlichsten ausgebildet ist. Um ein wechselhaftes Raumverhältnis zu erzeugen, bedarf es letztlich jedoch keiner steingewordenen Grenze.