Hochschulseminar – Zu Fuß
 
Wahrnehmung - Körper und Bewegung
J. Huran, 27.2.2008

• Der eigene Körper als Zugang zur Welt
• Erfahrungen mit Dingen und Personen
• Erschließung von Lebensräumen
• Die weiteren Sinne
• Sinnestäuschung
• Architektur Wahrnehmung

Wahrnehmung

Wahrnehmung bezeichnet im Allgemeinen den Vorgang der bewussten Aufnahme von Informationen eines Lebewesens über seine Sinne. Auch die aufgenommenen und ausgewerteten Informationen selbst werden gelegentlich Wahrnehmungen (oder Perzepte) genannt.


Wahrnehmungspsychologe Dr. Rainer Rosenzweig sagt:

Ein Grundprinzip der Wahrnehmungsforschung lautet: Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess. Erfahrungen, Erwartungen und „Vor-Urteile“ sind an diesem Prozess beteiligt. Somit bestimmt das was wir über die Welt bereits wissen oder zu wissen glauben, unser Wahrnehmungsergebnis.

So genannte Illusionen oder Wahrnehmungstäuschungen spielen dabei eine zentrale Rolle: denn erst wenn wir seine scheinbaren „Fehlfunktionen“ untersuchen, können wir zu verstehen, wie unser Wahrnehmungssystem (also z.B. Auge und Gehirn) arbeitet, wie Erfahrungen, die wir „am eigenen Leben“ erleben, einzuordnen sind und welche Relavanz diese für die Bildung unsers Weltbildes haben kann.

Subjektive Wahrnehmung und wissenschaftliche Hirnforschung

Die Unterscheidung zwischen Körper und Geist oder Seele, zwischen Innen und Außen existiert letztlich nur für den wissenschaftlichen Beobachter, der zum Beispiel Einflüsse der Umwelt auf den Menschen und dessen Reaktionen als eine Abfolge von Ursache und Wirkung deutet. Diese Interpretation ist immer nur eine Annäherung an die dahinter liegende Wirklichkeit. Dies gilt entsprechend für die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Nervensystem des Menschen mit seinen Sinnesorganen. Sie reproduzieren das Abbild der uns umgebenden Welt nicht 1:1 im Gehirn, sondern verarbeiten die Informationen aus der Außenwelt in der Innenwelt in einem sehr komplexen Prozess. Im Beitrag „Sich in der Welt zurecht finden – wie entwickelt sich die kindliche Wahrnehmung?
(Von Kay-Uwe Fock wird dieser Prozess ausführlicher erörtert)

Kindliche Entwicklung

Klassischerweise unterscheidet man im Allgemeinen Sprachgebrauch fünf Sinne, die bereits von Aristoteles beschrieben wurden:

Sehen, Visuelle Wahrnehmung
Hören, Auditive Wahrnehmung
Riechen, Olfaktorische Wahrnehmung
Schmecken, Gustatorische Wahrnehmung
Tasten, Taktile Wahrnehmung

 

 

Die Sinne haben unterschiedlich Aufnahmekapazitäten. So werden den Gesichtssinn pro Sekunde etwa 10 Millionen Bit aufgenommen, über den Tastsinn etwa 1 Million Bit, über den Gehörsinn etwa 100.000 Bit, über den Geruchssinn etwa 100.000 Bit und über den Geschmackssinn etwa 1000 Bit.

1. Der eigene Körper als Zugang zur Welt

 

 

- Wahrnehmungsentwicklung ist ein Prozess, in dessen Verlauf
Menschen Lernen, Ereignisse und Gegebenheiten als für sie
bedeutsam zu erkennen. Voraussetzung für Erkundung und
Aneignung von Welt sind motorische Handlungen: durch
Bewegungen der Augen, Kopfes usw. erforderlich


- Die Fähigkeit der Sinneswahrnehmung kann durch bewusstes
Aufmerksamkeit gesteigert werden.


Erfahren mit dem ganzen Körper

Der Tastsinn ist das Ausgedehnteste Sinnessystem des Menschen. Über die Haut nimmt er Berührung, Druck, Oberflächenbeschaffenheit, Hitze, Kälte oder Schmerzen wahr. Haut ist auch ein wichtiges Medium für sozialen Austausch. Körper Erfahrung als ganzheitliches Geschehen ist an Personen, Dinge und Situationen gebunden.


• Personen, Materialien, Bewegung, Raum, Gewicht, Temperatur, Schmerz,

Materialien: unterschiedlichen Materialien, Kugeln, Watte, Sand, Wasser, Luftzug spüren, Schnee spüren…
Bewegung: Den ganzen Körper in Bewegung erleben, Geschwindigkeit, Material und Eigenbewegung…
Raum: Begrenzung und Ausdehnung des eigenen Körpers erfahren, die Größe des eignen Körper erfahren…
Gewicht: Gewicht des Körpers erfahren, fallen lassen, Wiegen, transportieren…
Temperatur: Eiswasser, Feuer, Temperatur unterscheide erfahren…
Schmerz: durch vorsichtiges Erkunden, den Umgang mit Gefahren erlernen…

Körperschema und Körperbegriff

 

 

Körperanspannung und Körperentspannung
• Statisches und dynamisches Gleichgewicht
• Körperteile und Körperbegriff


Liegen – Sitzen – Stehen

Im Liegen, Sitzen oder Stehen nehmen wir die Umwelt aus unterschiedlichen Perspektiven wahr.

• Bewegungen um die Körperachsen
• Vierfüßlerstand
• Stehen


Sich fortbewegen

• Fortbewegung dient der Aneignung von Welt. Durch die Fähigkeit zur Fortbewegung vergrößert der Mensch den Raum, in dem Wahrnehmung als Erkundungsaktivität stattfinden kann. Es eröffnen sich ihm neue Perspektiven auf ein erweitertes Umfeld. Er erschließt sich bisher unbekannte Situationen und Erfahrungen. Durch den Einsatz von Hilfsmitteln wie Gehstöcke, Geländer, Rollstuhl und anderen Geräten, werden diese Ergänzt und neue Informationen gesammelt.

2. Erfahrungen mit Dingen und Personen

 

 

• Durch leibliche Kontaktaufnahme zu Personen und Dingen erfahren wir unseren Körper in Abgrenzung zum Umfeld. Wir nehmen die Umwelt wahr und gestalten sie. Wir entwickeln Kommunikations-, Bewegungs- sowie Handlungsfähigkeit und entfalten Identität. Durch Begegnung und Auseinandersetzung mit der dinglichen Welt sammeln wir Erfahrungen mit verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten und dem Bedeutungsgehalt von Materialien und Gegenständen.

• Tasten
• Greifen – Hantieren – Spielen
• Sehen
• Hören
• Riechen – schmecken


Tasten: Das Berühren mit und, Händen und Füßen fördert sinnliches Erleben der personalen und dinglichen Welt. Taktiles Erkunden steht in engem Zusammenhang mit Tiefenwahrnehmung. Dabei werden neue Erfahrungen mit vorhandenen Eindrücken verknüpft.

Greifen – Hantieren – Spielen: mit den Händen kann sich der Mensch vielfältige Dimensionen von Welt erschließen. Im Zusammenspiel der Handmotorik mit unterschiedlichen Wahrnehmungseindrücken und Persönlichkeitsbereichen erkundet und begreift er die Umwelt und verändert sie. Durch den Einsatz der Hände bewältigt er die Anforderungen des alltäglichen Lebens und gestaltet wichtige Bereiche seiner Kultur. Im Gebrauch der Hände ereignen sich darüber hinaus Begegnung und menschliches Miteinander.
(Wirkung erzielen, Greifen und Festhalten, Loslassen, Koordination beider Hände, Feinmotorische Kompetenzen im Alltag, Graphomotorik)

Sehen: ist in einer durch visuelle Informationen geprägten Welt von hoher Bedeutung für Orientierung, Kommunikation und gesellschaftliche Teilhabe. (Aufmerksamkeit, Muster und Gesichter, Farben, Visuomotorik und visuomotorische Koordination, Figur-Grund, Raum-Lage, Visuelles Gedächtnis)

Hören: Es ermöglicht dem Menschen, sich über Vorgänge zu informieren, die nicht unbedingt sichtbar sein müssen, Zuhören können gilt als elementare Sozialkompetenz, die den Dialog unterstützt und Grundlage für kooperatives Miteinander ist. (Aufmerksamkeit, Figur-Grund-Wahrnehmung und auditive Diskrimination, Auditives Gedächtnis).

Riechen – schmecken: Geruch und Geschmack tragen in elementarer weise zur Umwelterkundung bei. Geruchwahrnehmung führt zu Veränderungen in der Körperaktivität. Gerüche haben auch Auswirkungen auf die emotionale Befindlichkeit. Geruchserfahrungen sind einprägsam und werden in der Erinnerung häufig mit vergangenen Erlebnissen verknüpft. Zudem besteht eine enge Verbindung von Geruchs- und Geschmackssinn. Dies ist bei der Nahrungsaufnahme von Bedeutung. Für die Geschmacksentwicklung im Mundraum sind geringe motorische Aktivitäten wie Zunge- oder Kieferbewegungen und Lutschen erforderlich. (Geruch, Geschmack)

3. Erschließung von Lebensräumen

Für den Menschen sind Raum Erfahrungen immer auch Erfahrungen mit dem eigenen Körper. Er erlebt Räume durch Bewegung in Verbindung mit verschiedenen Wahrnehmungseindrücken.

• Erkundung:
• Orientieren:


Die Fähigkeit der Raumorientierung ist eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung von Selbstständigkeit. Handlungskompetenz im sozialen Miteinander und bei der Lösung von Alltagsproblemen bedingt die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen und das sichere Auffinden und Bewältigen von Raumwegen. Raumbeziehung und Raumbegriffe, Orientierungshilfen.


Gestalten:
Durch die gestaltende Veränderung von Räumen nehmen wir auf die Umwelt wirkungsvoll Einfluss. Wir gewinnen Erkenntnisse über die Beziehungen zwischen uns und der uns umgebenden Welt sowie zwischen den Dingen zueinander. Gleichzeitig erwerben wir Handlungskompetenz und ich- stärke.


Die weiteren Sinne:

 

 

Albert Einstein sagte, wir nähmen die Natur nicht so wahr, wie sie tatsächlich sei, sondern so, wie unsere Methoden der Wahrnehmung sie darstellten.

 

 

Die Zeit ist eine zwar abstrakte aber reale Eigenschaft der Umwelt. Die grundlegenden Informationen über diese Eigenschaft werden über die Sinne gewonnen. Deshalb bildet die Zeitwahrnehmung eine echte Form der Wahrnehmung. Allerdings handelt es sich um eine Sinneswahrnehmung, denn die Zeitwahrnehmung entsteht erst durch kognitive Vorgänge.

Einfluss der Erfahrung

 

 

Müssen sich widersprechende Informationen verarbeitet werden, bevorzugt das Gehirn die wahrscheinlichste Interpretation durch Vergleich mit bereits abgespeicherten, (erlernten) Erfahrungen.

Sinnestäuschung

Maurits Cornelis Escher

 

 

Seine bekanntesten Werke, die Escher nahezu den Status eines Popstars einbrachten, beschäftigen sich mit der Darstellung perspektivischer Unmöglichkeiten, optischer Täuschungen und multistabiler Wahrnehmungsphänomene. Wir sehen Gegenstände oder architektonische Bauten, die auf den ersten Blick völlig natürlich zu sein scheinen, auf den zweiten aber in ihrer Konstruktion unmöglich sind.

Architektur Wahrnehmung

Hier sind 4 Beispiele in der Architektur, die bewusst die Wahrnehmung des Betrachters ein bestimmtes Gefühl Vermitteln.

• Deutscher Reichstag
• Dockland in Hamburg von BRT
• Petersplatz aus Richtung Basilika St. Peter
• Walt Disney Konzerthalle

 

 

Der Deutsche Reichstag, sehr massiv und dicht gebaut, um Transparenz zu erzeugen oder ein demokratisches Bild der Überschaubarkeit zu vermitteln, hat man eine Kuppel aus Glas darauf gebaut.

 

 

Beim Dockland erzeugt die Architektur eine Dynamik, die Richtung Meer zeigt und eine Form hat, die eines Schiffes nahe steht.

 

 

Der Petersplatz in Rom, erzeugt ein Gefühl von Offenheit und zu gleich Geborgenheit. Die Fläche ist umschlossen, aber auch zu gleich sehr großflächig. Die Straße die dahin führt, wird immer breiter in Richtung der Basilika.

 

 

Die Konzerthalle von Walt Disney, ist dekonstruktiv. Es zeigt Dynamik, wie die Musik die immer in Bewegung ist und drin statt findet.