Hochschulseminar – Wer hat Angst vor dem Zufall?
 
Glossar – Informelle Siedlungen
Aline Gonsior, Larissa Behrens, 15.01.2018

Informal settlements - are improvised residential areas made of wood, corrugated metal, sheets of plastic and cardboard boxes. The departments usually lack, or are cut off from, basic services and city infrastructure. They are often situated in geographically and environmentally hazardous areas for example near railroad tracks or city trash dump sites. 

Informal settlements and slums are caused by a range of interrelated factors, including population growth and rural-urban migration, lack of affordable housing for the urban poor, weak governance, economic vulnerability and underpaid work, discrimination and marginalization, and displacement caused by conflict, natural disasters and climate change.
They exist in urban contexts all over the world, in various forms and typologies, dimensions, locations and by a range of names:

  • Bidonville - France
  • Shantytown - England
  • Gecekondu - Turkey
  • Favela - Brazil
  • Villa Miseria - Argentina 

While urban informality is more present in cities of the global south, housing informality and substandard living conditions can also be found in developed countries. 

 

… BIDONVILLE - SHANTYTOWN - GECEKONDU - FAVELA - VILLA MISERIA - BARRIADAS -  POBLACIONES - KATCHI ABADI - PUEBLOS JÓVENES - INVASIONES - COMPOUNDS - TONDOS …


Foto: Brasilien Fussball, Quelle: Homepage: https://image.gzt.com/resim/upload/fussball_brasilien_1980x551.jpg

Jedes dieser Schlagworte steht in unterschiedlichsten Sprachen für die Charakteristik  „informeller Siedlungen“. Das globale Phänomen existiert weltweit im urbanen Kontext in verschiedenen Formen, Typologien und Dimensionen. Informelle Planung ist die Regulierung von Siedlungstätigkeit außerhalb des formalen, staatlichen Rahmens der öffentlichen Planung durch die Siedler und Grundstückseigentümer selbst. Dabei sind informelle und formelle Planung nicht als getrennte Systeme zu sehen, sondern als ein Kontinuum mit einer breiten Übergangszone. Die improvisierte Stadtstrukturen organisieren sich selbst ohne jeglichen legalen Grundbesitz seitens der Bewohner. Die Siedlungen setzten sich hauptsächlich aus provisorisch gebauten Unterkünften zusammen und siedeln sich oft an Rand der Großstädte an. Hauptsächlich werden vorhandene Materialien wie Holz, Karton und Wellblech verwendet. Die Siedlungen sind zum größten Teil nicht mit der städtischen Infrastruktur verknüpft, verfügen über kein fließendes Wasser oder andere grundlegende Einrichtungen.  Der Auslöser für die Elendssiedlungen ist der rapide Bevölkerungswachstum, der die städtischen Behörden vor unlösbare Probleme stellt. Die meisten Neuankömmlinge finden weder Arbeit noch eine angemessene Unterkunft. Oft bleibt den Menschen dann nur die Flucht in einer der etlichen Siedlungen. Viele der ehemaligen Hüttensiedlungen haben sich inzwischen zu respektablen Vororten entwickelt. 

Was jahrzehntelang verleugnet wurde ist inzwischen offensichtlich: Praktisch das gesamte in den kommenden Jahrzehnten zu erwartende Bevölkerungswachstum wird sich in den Städten der Entwicklungsländer ereignen. Und dieses Wachstum wird sich auf selbst gebaute Barackenstädte konzentrieren. Bereits heute leben eine Milliarde Menschen in diesen stigmatisierten Gemeinschaften; es wird erwartet, dass sich die Zahl bis 2030 verdoppelt und bis 2050 gar verdreifacht. Das bedeutet: Schon im Laufe der nächsten Generation wird jeder Dritte auf diesem Planeten "informell" wohnen – sei es innerhalb der Stadtgrenzen oder an den städtischen Peripherien. Diese informellen Siedlungen sind Antworten auf einen dringenden Bedarf. Weder private Wohnungsmärkte noch die Kommunen zeigen sich bisher erfolgreich darin, in die Städte kommenden Migranten Wohnraum zu erschwinglichen Preisen bereitzustellen. Auf sich gestellt suchen sie ungenutzte Flächen und bauen, so gut es geht, ihre Häuser und Gemeinschaften selbst. Da in den informellen Siedlungen zunächst jede städtebauliche Infrastruktur fehlt, ist das Selbsthilfe-Bauen auch immer Selbsthilfe-Städtebau, wobei mit unendlicher Mühe nicht nur die eigene Behausung, sondern auch das besetzte „Rohbauland“ bewohnbar gemacht werden muss. Gleichzeitig müssen die Bewohner gegen drohende Vertreibung und Diskriminierung kämpfen, der sie sowohl von Seiten der Stadtverwaltung als auch der etablierten Bevölkerung ausgesetzt sind.

Folgend einige Beispiele informeller Siedlungen und dessen länderspezifische Bezeichnungen…


GECEKONDU



Foto: Gecekondu Istanbul, Quelle: Homepage: http://www.world-nomad.com/istanbul-first-week/istanbul_houses


Gecekondu ist die türkische Bezeichnung für eine informelle Siedlung und bedeutet wörtlich übersetzt „über Nacht erbaut“. Obwohl die Gecekondular offiziell nicht gesetzmäßig und somit illegal sind, wird die Errichtung dieser Siedlungen auf Grund des wirtschaftlichen Wachstums oftmals von der Regierung geduldet. Das Gecekondu-Gesetz aus dem Jahre 1966 ermöglichte erstmals die Legalisierung dieser Siedlungen. Die Gecekondular sind unter anderem ein Grund dafür, warum es vor allem in den Regionen um Ankara, Istanbul und Izmir in den letzten Jahrzehnten zu einem enormen Bevölkerungswachstum kommen konnte. In der Vergangenheit kam es bei Zwangsräumungen immer wieder zu Ausschreitungen der Bewohner. Im Zuge einer friedlicheren Modernisierung gibt es deshalb mittlerweile von Seiten der Stadtverwaltung Ankaras den Kompromiss, aus den ehemaligen Besetzern Eigentümer zu machen. So erhielten viele der dort lebenden Familien einen Grundbucheintrag, was die soziale Stellung der dort lebenden Menschen stärkte.

In vielen Fällen wurden Gecekondular im Laufe der Zeit an die öffentliche Versorgung angeschlossen. Häufig wurden in den letzten Jahren, so in Ankara, auf der Fläche ehemaliger Gecekondular neue Wohnviertel errichtet. Dies geschieht häufig nach dem sogenannten Yapsat-Prinzip (türk. yap: Bau; sat: Verkauf), bei dem Bauunternehmer mit den meistens eher mittellosen Grundstückseigentümern den Vertrag aushandeln einen Neubau, meist mehrstöckige Apartmenthäuser, zu errichten, den Eigentümern aber dafür im Gegenzug einige der Wohnungen zu überlassen. Vielen ehemaligen Gecekondu-Bewohnern ermöglicht dies den sozialen Aufstieg in den Mittelstand.


BIDONVILLE


Foto: Dossier: Lomé la belle, Lomé la misère Quelle: Homepage: http://www.togomedias.com/dossier-lome-belle-lome-misere/


Der französische Begriff Bidonville steht wörtlich für Kanisterstadt und beschreibt die  Elendsviertel in den Randzonen der nord-afrikanischen Großstädte. 
Der Begriff "Bidonville" wurde erstmals in Casablanca in den 1930er Jahren verwendet um die Baracken zu definieren, die von ländlichen Bewohnern in den Außenbezirken der Stadt mit Hilfe von recycelten Materialien, zum großen Teil alter Dosen, gebaut wurden. Heutzutage wird der Begriff auch oft als Synonym für Großwohnsiedlungen (Trabantenstädte) am Rand der französischen Großstädte genutzt, in denen sich ein Randgruppenmilieu gebildet hat und sich sozial Ausgestoßene, Arme, Arbeitslose, Problemfamilien und Einwanderer dicht beieinander drängen.


SHANTY TOWN


Foto: Manille, Quelle: Homepage: http://www.dijonart.com/IMG/jpg/MANILLE.jpg


Shanty town oder auch squatter area ist der englische Begriff der meistens in Südafrika für eine informelle Siedlung genutzt wird. Auch hier gibt es oft kein formelles Straßennetz, Hausnummern oder benannte Straßen geschweige denn eine Kanalisation, Elektrizität, fließendes Wasser, Regenwasserentwässerung, Müllentsorgung oder Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln.



FAVELA


Foto: Rocinha_Rio_de_janeiro, Quelle: Homepage: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/Rocinha_rio_de_janeiro_panorama_2010.jpg


Favela ist der Name einer Kletterpflanze und das portugiesische Wort für ein Armenviertel in Südamerika. Ähnlich wie die Kletterpflanze siedeln sich die Armenviertel an den Bergen an und „klettern diese hoch“. Die ersten Favelas entstanden im Zuge des Endes der Sklaverei nach der Lei Áurea im Jahr 1888. Seither haben sie sich ständig ausgebreitet. 1963 wurden sie offiziell definiert „als Gruppe von Behausungen mit hoher Bevölkerungsdichte, unsystematisch und mit ungeeignetem Material ohne Zoneneinteilung errichtet, ohne öffentliche Versorgung und auf illegal genutzten Grundstücken ohne Einverständnis des Eigentümers.“ Seit Entstehung der ersten Favelas schwankte die Politik der brasilianischen Regierung sowie der Kommunalverwaltung zwischen Aussiedlungsbemühungen auf der einen sowie Hilfsangeboten zur Verbesserung der Lebenssituation für die Bewohner auf der anderen Seite. Seit Ende der 1960er Jahre und verstärkt ab März 1980 (Carta da Favela) wird auf die Sanierung der Favelas gesetzt, zunächst mit punktuellen Eingriffen, in neuerer Zeit durch integrative Großprojekte. In Rio de Janeiro wurde im Jahr 1994 das vielbeachtete, großangelegte Programm Favela-Bairro begonnen; die favelas sollen dem Namen nach zu bairros, regulären Stadtvierteln werden. Die Favela Rocinha wurde 1992 offiziell zum bairro erklärt und war 1998 mit etwa 200.000 Bewohnern nicht nur die größte in Brasilien, sondern in ganz Südamerika.

FAVELA VERTICAL


Foto :Torre David, Quelle: Homepage: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/Torre_de_David

 

Der Torre David, ein 45-stöckiger Büroturm in Caracas, der von dem angesehenen venezolanischen Architekten Enrique Gómez entworfen wurde, war nach dem Tod seines Entwicklers David Brillembourg 1993 und dem Zusammenbruch der venezolanischen Wirtschaft im Jahr 1994 fast fertiggestellt. Im Oktober 2007 besetzten einige Bewohner aus den Armenvierteln der Stadt die Investruine. Nach und nach bevölkerten immer mehr Menschen die leer stehenden Etagen und bauten diese mit provisorischen Mitteln in Eigeninitiative zu Wohnungen und als Handwerkswerkstätten aus. Schätzungen von 2012 gingen von ca. 2000 bis 2500 illegalen Bewohnern des Hauses aus, darunter auch Angehörige der Mittelschicht, um den hohen Mieten in Caracas zu entgehen. Außerdem gab es einige kleine Läden und Cafés. Der Torre David in Caracas galt zu der Zeit als größtes „ Favela vertical“. Wegen der katastrophalen hygienischen Bedingungen und mehreren Unfällen, bei denen Kinder in die ungesicherten Treppenschächte gestürzt waren, entschieden sich die Behörden, das Gebäude zu räumen. Im Juli 2014 wurden die ersten 160 der insgesamt 1156 Familien in Wohnanlagen südlich der Stadt umgesiedelt.

VILLA MISERIA


Foto: VILLA 31, Quelle: Homepage: http://en.mercopress.com/2013/01/12/eleven-million-argentines-surviving-on-7-dollars-per-day

 

Villa (die Stadt) und Miseria (das Elend) ist die Bezeichnung für eine Marginalsiedlung in Argentinien. Die größte Villa Miseria ist die Villa 31 in Buenos Aires, sie liegt im Stadtteil Retiro in der Innenstadt auf einem Grundstück, das zum Gelände des Bahnhofs Retiro gehört, gegenüber befindet sich das Luxusviertel Buenos Aires. 2009 lebten etwa 26.000 Einwohner in der Villa Miseria. Von der Regierung werden seit Jahrzehnten Anstrengungen unternommen, die Situation in den Villas Miserias zu verbessern. So werden in Überschwemmungsgebieten gelegene Siedlungen oft in Sozialwohnungsviertel umgesiedelt. In günstiger gelegenen Vierteln werden im Rahmen des sogenannten Programa de Mejoramiento de Barrios (dt. Programm für die Verbesserung von Vierteln) nach brasilianischem Vorbild die Grundbesitzverhältnisse legalisiert und die Infrastruktur (Strom, Trinkwasser, Sanitäranlagen) verbessert.

 


QUELLENVERZEICHNIS 


informelle Siedlungen

www2.klett.de/sixcms/media.php/229/104103-4109.pdf

www.archplus.net/home/archiv/artikel/46,2934,1,0.html

www.informell.eu/

www.urbanophil.net/tag/informelle-siedlungen/

www.bpb.de/apuz/183456/urbanisierung-megastaedte-und-informelle-siedlungen?p=all

www.dijonart.com/Bidonville-l-autre-ville

www.eurozine.com/wer-ein-haus-hat-uberlebt/

www.brasilien.de/vida-em-favela-das-leben-in-einer-favela/

www.worldatlas.com/articles/what-are-shanty-towns-and-where-are-they-found.html