Leon Hoffstedt, Lukas Höft, Luca Wichel, Lorenz Wittenberg, 05.03.2021
Versuchsaufbau
Die Pandemie hält uns alle weiterhin in Atem. Weiterhin gelten in Deutschland, wie in großen Teilen der Welt, massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie.
Private Treffen werden auf ein Minimum reduziert. Kulturräume, Gastronomie, nicht notwendiger Einzelhandel und Bildungseinrichtungen sind seit Monaten geschlossen oder nur zeitweise unter strengen Auflagen geöffnet.
Eine Maskenpflicht gilt in Supermärkten, Bahnhöfen, Öffentlichen Verkehrsmitteln, in den Innenstädten und Fußgängerzonen Deutschland.
Zudem sollen die sogenannten AHA-Gebote Ansteckungen vorbeugen.
Die Abkürzung ‚AHA‘ steht für Abstand, Hygiene und Alltagsmaske.
Mindestens das letzte Gebot scheint dabei mittlerweile in großen Teilen der Gesellschaft angekommen zu sein. Die Maske ist mittlerweile fester Bestandteil unseres Lebens außerhalb der eigenen 4 Wände, auf Händeschütteln, Umarmen und Küsschen wird in den meisten Fällen verzichtet.
Im Fokus unseres Experiments stand allerdings das aktuelle Abstandsgebot: Es wird dazu geraten und teilweise dazu verpflichtet einen Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten.
Vor allem im Bezug zum Seminarthema ‚Distanz und Dichte‘ drängen sich einige Fragen auf: Wie weit lässt die gebaute Stadt das Abstand halten im öffentlichen Raum zu?
Wie reagieren die Menschen, wenn auf den Mindestabstand von 1,50 m beharrt wird? Und wie verändert sich das eigene Bewusstsein der Bewegung im öffentlichen Raum bei dauerhafter Distanzierung?
Wie haben sich Gewohnheiten der Bewegung im öffentlichen Raum verändert und vielleicht auch nicht verändert?
Um der Sache auf den Grund zu gehen, überlegten wir folgendes: Was passiert, wenn man die Menschen auf der Straße, auf dem Gehweg, im Hauptbahnhof, der Innenstadt und beim Wochenendspaziergang am Osterdeich, dazu zwingt den Mindestabstand uns gegenüber einhalten zu müssen und gleichzeitig selbst dazu gezwungen ist, den Abstand zu seinen Mitmenschen einhalten zu müssen.
Wir konstruierten einen Ring aus Kabelleitungsrohren, den wir mittels Schnüren um unseren Kopf tragen konnten und so einen Sicherheitsbereich von mehr als 2 Metern Durchmesser erzeugen konnten. Die angepeilten 1,5 Meter Radius mussten wir mangels Durchführbarkeit leider verwerfen. So gut wie nirgendwo ist es möglich diesen Abstand einzuhalten, geschweige denn überhaupt sich innerhalb von Gebäuden zu bewegen. Das war sicherlich die erste Erkenntnis unseres Versuchs. Also begnügten wir uns mit einem Meter in jede Richtung von der Körpermitte aus.
Konstruktion
Der Apparat umgab uns wie ein Reifrock, den die Damen im Barock unter ihren Kleidern trugen. Mit dieser Konstruktion wagten wir uns an einem Samstag durch die Bremer Innenstadt und waren sehr gespannt auf die Durchführbarkeit des Experimentes, die Reaktionen der Passanten und deren Kommentare, aber auch eigene Gefühle.
Unsere Erfahrungen haben wir in Bild und Ton festgehalten und ein kleines Video dazu gedreht.
Durchführung & Fazit
Während Einige, wahrscheinlich durch die auf den Ring gerichteten Kameras, den experimentellen Charakter schnell verstanden, dachten Andere, dass der Ring eine erstgemeinte Maßnahme zur Einhaltung der Abstandsregeln wäre.
‚‚Wie kann man nur so ein Looser sein?‘‘
‚‚Stell dir vor das müsste jeder tragen!‘‘
‚‚Das ist doch nicht sein Erst?‘‘
‚‚ABSTAND HALTEN!‘‘
‚‚Das ist ja geil!‘‘
Waren einige der Reaktionen auf unseren ungewöhnlichen Spaziergang, allerdings fragten auch viele Menschen ob es sich um ein Kunstprojekt oder ähnliches handle.
Die Geste des Ringes wurde also augenscheinlich sehr unterschiedlich aufgenommen und auch uns kamen unterschiedlichste Interpretationen in den Sinn.
Eines hatten aber fast alle Menschen denen wir begegneten gemeinsam, auch wenn wir direkt auf sie zusteuerten wichen sie uns aus und suchten nicht die Konfrontation mit dem Ring.
Man selbst hatte dabei durchaus das Gefühl sehr weit von den anderen Menschen distanziert zu sein, es schien als würde man, auch jetzt, dar das Bewusstsein für das aufmerksame Bewegen und Abstand halten im öffentlichen Raum pandemiebedingt geschärft ist, normalweise deutlich mehr Nähe zulassen als durch den Ring möglich war.
Die Distanz zu anderen Menschen fühlte sich auf jeden fall größer an, als bei einem normalen Samstagnachmittagsspaziergang, auch in Coronazeiten.
Schaut man sich die baulichen Bedingungen der Stadt an, so war uns natürlich zu Beginn des Experiments klar, dass es einige Problem für uns geben könnte: die meisten Türen, einige Gassen, Straßenbahnen oder Geschäfte sind nicht breit genug und mit dem Ring eigentlich nicht zu betreten.
Abgesehen von diesen heiklen Stellen, bemerkten wir während der Durchführung aber kaum Probleme, an so gut wie jeder Stelle in der Stadt war genug Platz um sich auch mit Ring hindurch zu schlägeln, Ausnahmen stellten dabei vielleicht Baustellen oder andere temporäre Veränderungen dar.
Viel mehr bemerkte man den Einfluss des Gebauten auf die Art der Menschen sich zu bewegen.
Beispielsweise war es wesentlich einfacher sich auf reinen Verkehrsflächen mit dem Ring zu bewegen, als an Orten, an denen die Menschen stehen bleiben und sich vielleicht sogar kleinere Ansammlungen bilden.
Zu berücksichtigen ist bei allen Erkenntnissen natürlich die, coronabedingt, relativ leer Stadt.
Link zum Video:
https://www.youtube.com/watch?v=X2HOIe9K8C8