Hochschulseminar – Distanz und Dichte
 
Achim Manz, Hütten - Beitrag zum Hamburg Projekt 1989
Ingmar Gimm, 06.08.2022
Mit dem „Hamburg Projekt 1989“, lud der Kunstverein Hamburg rund 50 Künstler_innen aus den USA und Europa ein, um ihre Arbeiten zum Thema Kunst im öffentlichen Raum in der Stadt Hamburg zu präsentieren. 40 der Arbeiten, waren kontextspezifische Installationen im vom Konsum geprägten Innenstadtbereich. Die Künstler_innen suchten dabei selbst einen inhaltlichen und örtlichen Kontext um ihre Beiträge zu formulieren. Einer der Teilnehmenden Künstler war Achim Manz, der unter der Stadthausbrücke fünf kleine Holzhütten für Obdachlose errichtete.

With the "Hamburg Project 1989", the Kunstverein Hamburg invited around 50 artists from the USA and Europe to present their works on the subject of art in public space in the city of Hamburg. 40 of the works were context-specific installations in the inner city, which is dominated by consumerism. The artists themselves serched a thematic and local context to formulate their contributions. One of the participating artists was Achim Manz, who erected five small wooden huts for the homeless under the Stadthausbridge.


Der Stadtraum ist der Zwischenraum von Behausungen. Die Stadtbewohner können zwischen Wohnung und Stadtraum und damit zwischen privaten und öffentlichen Sphären wechseln, sie wechseln zwischen Rückzug und Austausch, zwischen Selbstfindung und Selbstdarstellung.
Doch es gibt Stadtbewohner, auf die trifft diese Unterscheidung nicht zu. Für Wohnungslose ist der öffentliche Stadtraum und Wohnraum gleich. Die geschützte Privatheit, der intime Rückzugsort fehlt bzw. wird im öffentlichen Raum in Nischen gesucht. Somit haben Obdachlose einen doppelten Anspruch an die Beschaffenheit und Organisation des städtischen Sozialraums.
Als heterogene, und nicht organisierte Gruppe gibt es für Obdachlose selten die Möglichkeit ihre Ansprüche zu formulieren, und so wird stellvertretend für bzw. über sie entschieden. Das Ergebnis sind häufig Verdrängungsversuche, die zur Verlagerung aber nicht zur Verbesserung von Problemen führen. Alle Formen von Obdach, die nicht dem gesellschaftlich festgelegten Begriff einer menschenwürdigen Unterkunft entsprechen, sind nicht vorgesehen und werden regelmäßig geräumt. Abseits von Notunterkünften ist somit kein Platz für selbstorganisierte Rückzugsorte von Wohnungslosen.


Achim Manz - Vorstellung


Achim Manz - Arbeiten


Achim Manz - Arbeiten


Achim Manz - Arbeiten


Achim Manz - Beitrag zum „Hamburg Projekt 1989"
Unter der Stadthausbrücke begegnete der Künstler fünf Personen, die sich hier auf der Suche nach Schutz vor Wind und Wetter provisorisch eingerichtet hatten. „Es war bereits recht kühl und ich dachte ganz pragmatisch, dafür muss man Abhilfe schaffen.“, erklärt Achim Manz später in einem Interview. Und so zimmerte er mit den Obdachlosen zusammen, fünf kleine Hütten aus Schalholz. Mit doppeltem Boden zur Abwehr der Bodenkälte und torbogenartigen Öffnungen an der Frontseite.


Achim Manz - Beitrag zum „Hamburg Projekt 1989"
Die an Hundehütten erinnernden Minimalbehausungen boten den Betroffenen einen minimalen Schutz vor Wind, Feuchtigkeit und neugierigen Blicken. Später wurde dem Künstler Zynismus vorgeworfen.


ähnliche Minimalbehausungen


Hamburg - Stadthausbrücke
Die Gegend rund um die Stadthausbrücke war ein Ort „mit Potential“. Nur wenige hundert Meter von der prosperierenden und noblen Geschäftsstraße Am neuen Wall entfernt, eine Restfläche unbebautes Stück Innenstadt. Mit einem provisorischen Großparkplatz, einer vernachlässigten Grünfläche und einem Kontorhaus Ensemble, dass mit Galerien, Ateliers und Theatern zwischengenutzt war. Erste leerstehende Büroneubauten, die schon ankündigten, was kommen sollte. Denn im selben Jahr verkaufte die Stadt Hamburg große Teile der Fleetinsel an private Investoren. Wege, Plätze und öffentliche Räume wurde so zu privatem Eigentum. Die Verdrängung nicht monetarisierbarer Lebensentwürfe war vorprogrammiert.


Stadthausbrücke - Umgebung


Stadhausbrücke - Geschichte
Die Stadthausbrücke mit ihrer den Bleichenfleet überspannenden Randbebaung an der Ostseite war Teil eines größeren Gebäudekomplexes – dem Stadthaus. Zu der Zeit genutzt von der Hamburger Baubehörde und dem Amt für Wohnungswesen, und mit einer dunklen Vergangenheit. Zur Zeit des Nationalsozialismus war das Stadthaus Hauptsitz der Gestapo, die hier auch ihre Leit- und Koodinierungsstelle zur „Vorbeugenden Verbrecherbekämpfung“ hatte. Von hier wurde am 4.April 1938 die Aktion Arbeitsscheu Reich durchgeführt, bei der ca. 700 „Asoziale“ also Mittellose, Arbeitslose, Obdachlose und Alkoholkranke in Schutzhaft genommen und verschleppt wurden.


Stadhausbrücke - Entwicklung
Seid 2013 ist die Stadthausbrücke dem neuen Quartier Stadthöfe vorgelagert. Das Stadthaus selbst, sowie 7 weitere Gebäude wurden dabei saniert und umgebaut. Innerhalb der Gebäude finden sich 4 Höfe, die nach dem Vorbild der Hackeschen Höfe in Berlin miteinander verbunden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Als neuer öffentlicher Raum wurde der Blockinnenbereich mit der Stadt vernetzt.


Stadhausbrücke - Entwicklung
Dieser neue öffentliche Raum ist Teil eines Netzwerks von BID´s (Bussiness Improvement Districts), die sich über den nördlichen Teil der Hamburger Innenstadt ziehen. Nach dem Vorbild von Einkaufszentren, kümmern sich mit dem Instrument BID Grundeigentümer und Gewerbetreibende gemeinsam mit öffentlichen Akteuren um die Entwicklung und Pflege des öffentlichen Raumes, den Branchenmix und das Marketing eines Stadtteils, um so die Standortqualität zu verbessern. Das Ziel ist hier die Wertsteigerung der Immobilien und die Steigerung des Umsatzes der Geschäfte.


Stadhausbrücke - Entwicklung
Zu dem Zweck wird der öffentliche Raum privatisiert, kundenfreundlich umgestaltet und durch private Sicherheitdienste betreut.


Verdrängung in Bremen
Bei der Initiative zur Schaffung eines BID´s in der Bremer Sögestraße enthielt das Konzept als explizites Ziel die Verdrängung von Obdachlosen aus der Einkaufsstraße.


Architektur gegen Obdachlose

Quellen:
https://www.kunstforum.de/artikel/achim-manz/
https://www.joachimmanz.de/content/oeffentlicherraum/p_huetten.html
http://docplayer.org/46967682-Herzlich-willkommen-business-improvement-districts-heiner-schote-chart-nr-oktober-2013.html
https://www.argus-hh.de/bid-hamburg/
https://neubauimmobilien.de/2019/08/20/mehr-leben-in-hamburgs-vorzeige-quartier-stadthoefe/
https://docplayer.org/19911080-Stadthoefe-kurzdarstellung-hamburg-november-2013.html