Hochschulseminar – Sozialisation im (öffentlichen) Stadtraum
 
Stigmatisierung durch Architektur und Städtebau
Carla Voigt, Anne-Sophie Leckelt, 17.05.23

In sociology, stigmatization is understood as a process in which individuals classify certain other individuals into a certain category of position holders. This arbitrary assignment of an individual can lead to the exclusion or separation of a group of individuals.


Unter Stigmatisierung wird in der Soziologie ein Prozess verstanden, indem Individuen bestimmte andere Individuen in eine bestimmte Kategorie von Positions­inhabern einordnen. Diese willkürliche Zuordnung eines Individuums kann zu einer Ausgrenzung beziehungsweise einer Trennung einer Gruppe von Individuen führen.

Stigma = Ausgrenzung = Segregation


Die These dieses Textes ist, dass Architektur und Städtebau stigmatisieren und dies teilweise absichtlich. Zum Beispiel durch defensive Architektur, bei der strategische Baumaßnahmen der Stadt- und Bauplanung gegen unerwünschte Personengruppen umgesetzt werden.

Beispiele für Stigmatisierung durch Architektur & Städtebau
Beispiele für Stigmatisierung durch Architektur und Städtebau sind Schikanen als wohnungslosenfeindliche Architektur. Darunter sieht man Bänke mit Armlehnen, die als Barriere für Obdachlose dienen und nicht zum Schlafen genutzt werden können, Bodenunebenheiten unter Brücken, Hausvorsprüngen und Hausnischen.
Beispielsweise Betonpoller und Betonklötze. Zudem zählen dazu Mülleimer, in die nicht hineingegriffen werden kann, Arkaden, die beabsichtigt ungemütlich oder nicht zum Verweilen gestaltet sind. Wie auch unangenehme Töne, Musik und Licht in öffentlichen Räumen, die diese als Schlafplatz unnutzbar machen.
Plattenbauten wurden bei der Recherche zu diesem Thema  häufig als Beispiel für Stigmatisierung durch Architektur und Städtebau aufgeführt. Dabei sollte man unterscheiden zwischen der gegenwärtigen Betrachtung und der historischen Betrachtung von Plattenbauten, die bei ihrer Etablierung für das Gegenteil von stigmatisierender Architektur standen.

In den Sechzigern galten Plattenbauten als moderne Architektur, die im Gegenteil zu Altbauten fließendes Wasser und Strom als einen neuen Wohnstandard etablierten. So wurde diese Architektur erst mit der Zeit stigmatisierend durch die Gesellschaft, die den Nutzen in anderer Architektur als erstrebenswerter sahen. Zu sehen ist dieser Wandel in der Gegenüberstellung der Abbildungen:

(Abb.1,2) Ab 1956 entsteht anstelle der im Krieg zerstörten Altstadt "Neu-Altona"/ Plattenbauten in Dresden
Plattenbauten als Beispiel für Architektur mit, die mit der Zeit gesellschaftlich stigmatisiert wurde.

Zu beachten ist, dass der Wandel, den die Gesellschaft im Bezug auf Plattenbauten durchlebt, sich gegenwärtig weiterentwickelt. Plattenbauten sollen den aktuellen Wohnstandards wieder angepasst werden und der Wohnraum, den sie bieten, neu interpretiert werden. Bei dem Beispiel der Plattenbauten als stigmatisierende Architektur sollte man zwischen Architektur und Städtebau, die stigmatisieren aufgrund der Idee, diese seien Ergebnisse von Prozessen, die sich an der Gesellschaft orientieren und Architektur und Städtebau die stigmatisieren, da sie geformt werden durch die sich mit der Zeit verändernde Nutzung der Gesellschaft. So sind nicht-barrierefreie Architektur und Architektur die Angsträume schafft, Beispiele für eine Architektur und einen Städtebau, die sich an dem gesellschaftlichen Zustand orientieren und dabei indirekt gegen Minderheiten agieren.

(Abb.3) Ebertplatz, Köln
Architektur, die Angsträume schafft.

Beispiele für das Gegenteil von Stigmatisierung durch Architektur & Städtebau
Um die Betrachtung von stigmatisierender Architektur und Städtebau abzuschließen, sind vier Beispiele für das Gegenteil von stigmatisierender Architektur und Städtebau aufgeführt.

(Abb.4,5) Ebertplatz früher & heute, Köln
Architektur, die Angsträume schafft, aber in der Vergangenheit das Gegenteil bewirkt haben könnte. Der Ebertplatz in Köln ist ein Ort der vorallem an die autogerechte Stadt orientiert umgestaltet wurde. Er funktioniert in zwei Ebenen, auf der höher gelegenen Ebene führen Autoverkehrsstraßen entlang, welche die untere Ebene umschließen. Die untere Ebene bildet den eigentlichen Platz, der unter den Autoverkehrsstraßen erschlossen wird. Gegenwärtig ist der Ebertplatz in den Medien als Angstraum präsent, da sich dort durch viele undurchsichtbare Orte kriminelle Übergriffe häufen. So wird der Ebertplatz von einem großen Teil Gesellschaft gemieden und schafft so einen Raum der stigmatisiert indem dieser die Menschen, die sich dort nicht sicher fühlen ausgrenzt. 
Im Kontrast dazu steht der Ebertplatz wie er vor der Neugestaltung mal war. Auf der Abbildung vier sieht man einen Platz der in erster Linie von einem anderen Verhältnis zwischen Autoverkehrsstraßen zu Parkfläche profitiert und so vermutlich gut erschlossen werden konnte. Der Ebertplatz vor seiner Neugestaltung scheint übersichtlich und ohne dunkle und versteckte Orte gewesen zu sein, welche den gegenwärtigen Ebertplatz zu einem Angstraum machen. 

(Abb.6) 
Die Abbildung sechs zeigt einen Plattenbau, der durch eine neue Fassade neu interpretiert wurde. Dies ist ein Ansatz der Stigmatiesierung durch Plattenbauten entgegenzuwirken.  

(Abb.7) 
Die Abbildung sieben zeigt 
Barrierefreie Architektur. Eine Treppe, die klassich als Erschließung oft nicht barrierefrei ist und so nicht für alle Personen nutzbar ist, wird hier durch intigrierte Rampen barrierefrei gestaltet.  

Fazit
Das Fazit der Recherche zu Stigmatisierung durch Architektur und Städtebau ist, dass bei unterschielicher Betrachtung das Ergebnis oder der Nutzen erheblich beeinflusst sind durch die Gesellschaft. Wenn dabei dann das Ergebnis der Architektur und des Städtebaus stigmatisierend ist, dann werden Orte zu einer Art gesellschaftlichen Spiegel.

Literaturverzeichnis:

https://www.ndr.de/geschichte/schoenerwohnen102_backId-stadtentwicklung262.html#content  (05.12.22)

https://lexikon.stangl.eu/10857/stigmatisierung (01.12.22)

CRADLE, Sustainable Design: Architektur. Bauen. Wohnen, Defensive Architektur im öffentlichen Raum

Defensive Architektur warum der öffentliche Raum immer ungemütlicher wird, ndr Defensive Architektur: Warum der öffentliche Raum ungemütlich wird (rnd.de) (05.12.22)

Abbildungsverzeichnis:

Abb.1 https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.ndr.de%2Fgeschichte%2FStaendiger-Wandel-Stadtentwicklung-in-
Altona%2Cstadtentwicklung262.html&psig=AOvVaw1-fRw7RkoWJMaSAtI-e35w&ust=1670687591189000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCKDxhrXy7PsCFQAAAAAdA
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(09.12.22)

Abb.2 https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.handelsblatt.com%2Ffinanzen%2Fimmobilien%
2Fmilliardengeschaeft-ost-immobilien-
plattenbauten-sind-sehr-effizient%2
F7088664-2.html&psig=AOvVaw1N95MMWcoDMU9KXqdWA_D8&ust=1670687564986000&source=images&cd=
vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCODCmay77_sCFQAA
AAAdAAAAABAE
(09.12.22)

Abb.3 https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fletsdok.de%2Fkino%2Febertplatz-koeln-eventlocation%2F&psig=AOvVaw0u7J3NSFHf03eM1AL-8S1O&ust=1670775966886000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCLDT-tG77_sCFQAAAAAdAAAAABAW (10.12.22)


Abb.4 https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.ebertplatz.de%2Fgestern%2Findex.html&psig=AOvVaw0u7J3NSFHf03eM1AL-8S1O&ust=1670775966886000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCLDT-tG77_sCFQAAAAAdAAAAABAE (10.12.22)

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bb.5 https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fletsdok.de%2Fkino%2Febertplatz-koeln-eventlocation%2F&psig=AOvVaw0u7J3NSFHf03eM1AL-8S1O&ust=1670775966886000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCLDT-tG77_sCFQAAAAAdAAAAABAW (10.12.22)

Abb.6 https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.magdeburg.de%2FStart%2FB%25C3%25BCrger-Stadt%2Findex.php%3FLa%3D1%26object%3Dtx%2C557.1750.1%26kat%3D%26kuo%3D2%26sub%3D0&psig=
AOvVaw2stVPCfJHJ2eE9j4sTXZ7S&ust=1670919451615000&source=images&cd=
vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCODe6pTS8_sCFQAAAAAdAAAAABAp
(10.12.22)

Abb.7 https://www.google.com/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fwww.immoportal.
com%2Fsites%2Fdefault%2Ffiles%2F2021-06%2Fbarrierefreiheit_hopsalka_immoportal.
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barrierefreiheit-die-bedeutung-und-wichtigkeit-barrierefreien-bauens&tbnid=
GGhAZMqSJsK1XM&vet=12ahUKEwj7nfqP4_
P7AhVBhqQKHSPDAWkQMygDegUIARC4AQ..i&docid=cxNMZy1hfv1t6M&w=
5715&h=3215&q=barrierefreie%20architektur&client=safari&ved
=2ahUKEwj7nfqP4_P7AhVBhqQKHSPDAWkQMygDegUIARC4AQ
(10.12.22)