Hochschulseminar – Stadt und Rock 'n' Roll
 
Einführung
Prof. Klaus Schäfer und Betty Kolodzy, Hochschule Bremen, Wintersemester 2023/2024
Isa Genzken, Sonic Youth, 1988, Foto: Neue Nationalgalerie 2023

(Skulptur, die eine architektonische Form mit dem Namen einer Rockband bezeichnet, KS)


Thesen zum Forschungsseminar
Ein Wesensmerkmal der städtischen Gesellschaft ist das Zusammenwirken heterogener Belange, die sich in der Großstadt zu einem Reichtum an Vielfalt entwickeln. Die Stadt als Ort divergierender Interessen ist zugleich Ort gemeinsamer räumlicher Bindung. So wie unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen, dürfen Gegensätze auch als äußerst produktiver Anteil einer urbanen Kultur betrachtet werden. Die Widersprüche des Lebens lassen sich in der Stadt ausfindig machen, konstatieren und ausdrücken. Dies betrifft persönliche und gesellschaftliche Entwicklungen, die mitunter auch schmerzvolle Erfahrungen einschließen.

Stadt gibt diesen Gegensätzen eine ‚gebaute Form‘: Den Raum in seiner Dichte, seiner sozialen und funktionsübergreifenden Nachbarschaft. Dieses Gefüge differenziert sich durch die Kategorien Privat und Öffentlich, geplant und ungeplant, offiziellem und anarchischem, Ordnung und Unordnung aus. Strukturell sind hier Nutzen und Nicht-Nutzen in einem Getriebe aus Gebrauch und Verbrauch – aber auch Missbrauch – in der Form von Bauwerken und Nischen beheimatet: Aufbruch, Aufbau, Zerfall und Wiedererstehen.

So ist die Stadt der Ort für Kultur, sie ist selbst Kultur, ruft sie hervor, muss sie tragen, erzeugen und aushalten. ‚Kulturtechniken‘, als immanente Ausdrucksformen menschlich-urbanen Daseins sind ureigene existenzielle Erscheinungen einer Civitas. Sie sind in einem beständigen Wandel begriffen und erzeugen unentwegt neue Formen, etablierter Kultur und Subkultur in Transformation, Verfeinerung und Ablösung.

Extreme künstlerische Ausdrucksformen erzeugen ein besonderes Erleben der Potentiale der Gesellschaft. Die Stadt ist prädestiniert diesem Erleben einen kreativen Reflexionsraum, eine Bühne zu geben. Großstädtische Toleranz, Neugierde aber auch Nachsicht erlauben Konfrontation, Exzess, Widerspruch, Übertreibung und eine damit verbundene Leidenschaft.
Rock 'n' Roll – in Perspektive des Undergrounds – ist ein Ausdruck dieser Kultur. Sie ist emanzipatorisch, sie trägt in sich, die Stadt als einen Ort der Läuterung zu verstehen: Katharsis durch Kunst – nicht zuletzt durch Musik. Rock 'n' Roll ist eine integrative Form urbaner Kommunikation.

Erforscht werden soll in dem Projekt die Rückkopplung zwischen baulicher Struktur und Kultur am Beispiel der Rockmusik. Stadt in seiner Gliederung kann eine lebendige Gesellschaft beheimaten, hervorrufen und auch lähmen.

Mit der Einladung von externen Referenten werden jeweils spezifische Impulse innerhalb des Seminars gesetzt. Sie sind ausgewiesene Experten auf dem Gebiet der Rock- und Popmusik, der Rezeption und Theorie. Den Vorträgen mit Thesen zum Thema schließen sich vertiefende Diskussionen an. Diese Veranstaltungen bilden das Gerüst für weiterführende Recherchen der Studierenden des Master-Studiengangs.
Die Thesen der Referenten, die Diskussionsergebnisse und die Recherchen werden zum Ende des Semesters für eine Publikation aufbereitet. Die Programmgestaltung der Vorträge soll auch für eine interessierte Öffentlichkeit in Bremen zugänglich sein.

Die Vorträge der Expertinnen und Experten werden unterstützt durch die Wolfgang Ritter-Stiftung Bremen.

Les Inrockuptibles (2023), Kulturzeitschrift mit Schwerpunkt auf Rockmusik, Thema: 1973 (Der Bildtitel: „Iggy Pop, typischer Sänger des urbanen Rock 'n' Roll's“ beschreibt in aller Kürze den Inhalt unseres Seminars. KS).