Hochschulseminar - Die Hand des Architekten
 
Der Schwarzplan
Klaus Schäfer, 9.5.2008

Figure ground plan – buildings in black on white ground

Der Schwarzplan (aus Wikipedia)

Der Schwarzplan ist ein Instrument der Stadtplanung zur Darstellung von Gebäuden in einem ausgewählten Planausschnitt. Alle anderen Planelemente wie beispielsweise Straßen, Vegetation oder Gewässer werden ausgeblendet. Durch diese Modifikation kann klar zwischen bebauter (schwarz dargestellt) und unbebauter Fläche (weiß dargestellt) unterschieden werden. Mit Hilfe dieses Planes lässt sich die Stadtmorphologie und deren Entwicklung untersuchen.


Der Begriff

…steht für die Abbildung der Baustruktur in einer abstrakten Schwarz-Weiss-Grafik als Plan der Stadt.


Der Zweck

Das Lesen der Stadt, die Untersuchung eines Textes als Bildgehalt.


Die Vorbereitung

…man kann den Schwarzplan herstellen mittels eines spitz zulaufenden schwarzen Pinsels, der sowohl breite als auch schmale Federstriche zulässt. Man hefte ein Transparentpapier über einen Plan als Vorlage.
Der empfohlene Maßstab ist mit 1: 5.000 fingerdick genug um wesentliche Aussagen über eine Ansiedlung zu treffen und besitzt dennoch alle Feinheiten um dem spezifischen der Bausteine der Stadt gerecht zu werden. So steht der Maßstab an der Grenze zwischen der einzelnen Typologie und dem was sich verallgemeinern läst, Einzelaussagen zu einem Gesamtbild formt.


Baustruktur als Schicht

Schlüsselt man den Plan der Stadt zu einzelnen Ebenen auf, so bildet sich die „Körperlichkeit“ als städtebauliche Tragstruktur im Schwarzplan ab, wir erhalten hiervon ein direktes Abbild. Eine andere unterscheidbare Ebene könnte die alleinstehende Abbildung des Verkehrs sein oder alle Parzellen als ein separater Layer.
Die Raumstruktur im Schwarzplan einer Stadt lässt sich in ihrer Gänze vergleichen mit einer herkömmlichen Grammophonplatte, deren Rillen den dreidimensionalen Abdruck einer mechanischen Aufzeichnung von Schallwellen bedeuten. Dies ist die Schicht der physischen Oberfläche der “Stadtlandschaft”. In ihr unterscheidet sich Gebautes von Unbebautem, das Feste wird unterschieden vom Raum zwischen den Dingen. Man kann dabei jeden Teil für sich betrachten. Die abstrakte Darstellung der Baustruktur über den Schwarzplan ergibt für den geübten Leser z.B. Aufschluss über die städtebaulich räumliche Bindung eines Stadtteils, also dem Grad einer Kohärenz. Inwieweit stehen einzelne Aspekte für das Ganze, sind sie Isoliert, befördern sie ein räumliches Kontinuum. Das Baualter eines Quartiers lässt sich über die Konfiguration erkennen und das Alter der Gebäude über ihre modularen Eigenheiten. Die zweidimensionale Darstellung der Stadt wird hierbei zum nichtgegenständlichen Abbild seiner Dreidimensionalität. Der Maßstab bedeutet, dass 1 cm auf dem Zeichenblatt 5.000 cm, d.h. 50 m reale Strecke darstellen.


Die Herstellung (Lesen)

Praktischerweise legt man sich ein Papier unter den Handballen. Es ermöglicht ein sanfteres gleiten auf dem Transparent und vermeidet Spuren einer leicht angespannten Fingerhaltung. Die meist in der Vorlage, einem Messtischblatt schraffierten kleinen Flächen der Häuser werden nun ausgemalt. Der Pinsel läst nur bestimmte, aber für den Maßstab der Tätigkeit angemessene ‚technische Details’ zu.

Feinheiten und rechte Winkel entstehen aus der Spitze, die Flächen werden ins Papier gedrückt. Schnell hat man eine Routine entwickelt, die eine konstante Geschwindigkeit ermöglicht. Nach jeder Pause gilt es immer wieder diesen feinmotorischen Lernprozess der Bewegung durchzustehen, bis ein mechanischer Rhythmus der Hand sich verselbstständigt. Atmung und Maltechnik gehen ineinander über. Zeitweilig scheint der Plan unabhängig zu entstehen als entblättere er sich vor sich selbst.
Zeichen und Formen tauchen vor dem Betrachter auf. Ein Schwebezustand stellt sich ein, wechselnd zwischen Distanz und Tuchfühlung. Die Geschwindigkeit, mit der Straßenzug um Straßenzug entstehen, gleicht der eines Spaziergängers. - Ein Gang durch vertraute und unbekannte Straßen der Stadt, verbunden mit dem Vogelflug des Pinsels, trägt die Entrücktheit eines Traumbildes in sich.
Ein meditativer Vorhang schließt sich vor der mechanischen Tätigkeit der Hand. Die Distanz wird zu entlegenen Betrachtung ganzer Stadtteile, der umliegenden Landschaft mit ihren eingestreuten Pünktchenmustern, Grenzen werden zu Bordüren und …

…bis das Auge der unablässigen Bewegung der Fingerspitzen wieder intensiver folgt. Wieder eingesunken in die Stadt erkennt man plötzlich und unvermittelt Vertrautes. Es schleicht sich im Malen eine Erinnerung an. Fast körperlich fühlt man die Konturen eines Ortes. – Besser noch, das Lesen des Raumes geht über die Erfahrung aus der Erinnerung heraus. Denn nun erschließen sich Zusammenhänge, als hielte man das Drehbuch eines kleinen oder großen Abschnittes des eigenen Lebens in den Händen, angefüllt mit Atmosphärischem, der Stimmung eines Tages, ein kurzer Besuch oder der so oft wiederholte Gang an dieser Stelle, der selbst Träger von Jahreszeiten wird, ein Hof, der fest verbunden ist jetzt mit diesem Klang, wie ein vergessenes Lied.
Der Raum wird zu einem ‚Innenbild’ und retrospektiv, wo der Faden mit der Entfernung vom Ort wieder reißt.
…in den nunmehr verschwimmenden Erinnerungsbildern taucht die malende Hand wieder auf und verkündet einen sprunghaften Fortschritt, weit losgelöst von der sentimentalen Form.
Eigentümliches wird sichtbar, Formen trennen sich bisweilen vom Inhalt. Figuren und Sinnbilder entstehen.
Fragen von Bedeutung und Deutung tauchen auf, die Neugierde an Situativem, der Struktur dieses einen Ortes nun nachzugehen, das Wechselbild dieses Raumgesetzes zu studieren und am Ort des Geschehens nun körperlich zu sein. Geht davon eine Spannung aus oder Versinkt diese Ordnung in Banalität?
Schwarz und weiß - als Objekt stehen die schwarzen Formen auf dem weißen Papier. Dem Gegenüber nimmt den Zwischenraum das Subjektive auf. All das was ungemalt bleibt ist dennoch das Wesentliche: unser Empfindungs- und Interpretationsraum für die uns gegenüberstehende Körperlichkeit der Stadt.


Die Auswertung

Neben dem Sehen, visuellem Registrieren, einem wissenschaftlichem Tun, wird der Arm über die Hand zu einem Mittler. Bestenfalls ahmen die Fingerspitzen eine Bewegung von Körpern nach, doch nicht immer ist die Arbeit eine konzentrierte. Aus der gemeinsamen Routine von Betrachtung und Handhabung wächst Erfahrung und dies geschieht im Sinne eines Lernprozesses, der Körper und Hand zusammen führt und ein Raumerlebnis fühlbar machen kann. Die Herstellung einer Grafik wird so zum Abbild einer Gestalt, einem Lesen in die Tiefe, gleich einer Deutung von etwas. Darüber hinaus wird eine typologische Erfahrung über die Beziehung von Architektur zur Umwelt möglich, das heißt zum übertragbaren wieder verwendbarem Repertoire.


Der Schwarzplan als Puzzle

Das Puzzle der Stadtstruktur, wir setzen es zusammen auf dem Plan mit dem Stift, möglicherweise in der Ökonomie einer Zeichentechnik: Die Reihe gleicher Elemente bis zu diesem schwarzen Punkt, dem einzelnen Haus, diese großen Flecken zunächst über ihre Ränder, um diese Fabriken dann auszumalen.
Das Puzzle der Stadtstruktur, wir setzen es zusammen im realen Raum, in dem wir die Dinge Stück für Stück zusammentragen zu einem Ganzen, nachträglich in Beziehung setzen, niemals genau, immer so ungefähr.
Das Puzzle der Stadtstruktur, wir setzen es zusammen. Die Einzelteile liegen vor uns angehäuft in ihren typischen Formen, zum Spiel der (Re)Konstruktion bereit. Wir beginnen mit den markanten Bildbereichen, die uns Informationen über Räume geben und setzen zusammen was Dichte aufweist, halboffene Strukturen werden angefügt, die Muster der weiten offen Textur orientieren wir am Zuschnitt der Verzahnung des Puzzles bis hin zum freien Rand, mit seiner geraden Kante als Anhaltspunkt. Das Zusammensetzen dieses Puzzles erfolgt wie unsere Orientierung in der Stadt selbst, lesbare Formen im Zusammenhang schaffen eine Verbindung, um so offener die Strukturen, um so losgelöster tritt uns die Architektur gegenüber. Klaus Schäfer