Lena-Cosima Griepentrog, 16. Januar 2025
“Lebe schon lange hier” (2013), directed by Sobo Swobodnik, is a black-and-white Heimatfilm set in Berlin that examines the intersection of private and public spaces through a unique perspective. The film captures an urban street corner over the course of a year, combining mundane, dramatic, and poetic moments observed from a private apartment window with sounds from inside the apartment. This interplay blurs the lines between interior and exterior worlds, offering a contemplative exploration of urban life and the boundaries between reality and imagination. The film aligns closely with the seminar theme "Private Eye on the Public Space" by questioning the dichotomy between private and public realms and emphasizing the act of observation as a means of connection and creativity.

Filmstill: Blick auf die Kreuzung.

Filmstill: Blick auf die Kreuzung.
Der Film „Lebe schon lange hier“von Sobo Swobodnik ist ein Heimatfilm aus dem Jahr 2015, der über ein Jahr hinweg das Leben an der Berliner Zehdenicker Straße, Ecke Gormannstraße zeigt. Gedreht in Schwarz-Weiß, verbindet er den Blick aus einem Fenster auf eine Straßenkreuzung mit akustischen Eindrücken aus dem Inneren einer Wohnung. So entsteht eine faszinierende Bild-Ton-Collage, die die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum hinterfragt und auf poetische Weise die Wahrnehmung des urbanen Lebens beleuchtet.
Aus dem Fenster einer Wohnung heraus betrachtet der Film die Kreuzung und dokumentiert sowohl banale Alltagsszenen als auch unerwartete Ereignisse. Autos, Passanten, spielende Kinder, Fahrradfahrer:innen, eine Person trägt im Winter einen Weihnachtsbaum über die Straße, die Plakatwand gegenüber wird regelmäßig neu plakatiert, über dem Boden weht eine Plastiktüte – solche Szenen wirken nahezu vertraut. Die monotone Routine wird durch Momente des Zufalls aufgebrochen: Eine Braut, die sich übergibt, oder ein ADAC-Hubschrauber, der auf der Kreuzung landet.

Filmstill: Eine Frau im Brautkleid übergibt sich, stützt sich dabei an der Hausmauer.

Filmstill: Eine Frau im Brautkleid übergibt sich, stützt sich dabei an der Hausmauer.
Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt - Parallel zu den Aufnahmen des Geschehens auf der Straße erklingen aus dem Off Geräusche und Klänge aus der Wohnung: Radiomeldungen, Nachrichten vom Anrufbeantworter, Schritte, Tippen auf einer Computertastatur. Dazu kommen Musikstücke, die von melancholischen Klaviermelodien bis zu Punkrock reichen und verschiedene Stimmungen erzeugen. Ergänzt wird die Tonspur durch die Stimme von Clemens Schick, die teils alltägliche Beobachtungen, teils surreale Reflexionen des Bewohners wiedergibt. Zitate wie „Er träumt Träume, die so groß sind, dass sie selbst Träume haben“ verdeutlichen die narrative Freiheit und den poetischen Ansatz des Films.
Zwischen Realität und Imagination: Der Blick aus dem Fenster wird zum Medium der Verbindung zwischen Realität und Vorstellungskraft. Während man die beobachteten Szenen analysiert, beginnt man automatisch, Geschichten zu imaginieren: Wer ist der alte Mann, der um die Autos schleicht? Wohin geht die Katze, die immer wieder durchs Bild läuft? Der Film zeigt, wie Beobachtung ein kreativer Akt wird, der private und öffentliche Räume ineinanderfließen lässt. Das Fenster wird zum Rahmen für die eigene Wahrnehmung der Welt und prägt, wie wir unsere Umgebung interpretieren. Sei es ein bestimmter Baum, der sich mit den Jahreszeiten verändert, oder ein Nachbar, der stets zur gleichen Zeit vorbeigeht – durch diese sich wiederholenden Beobachtungen entsteht eine Verbindung zum Ort, die persönliche Geschichten und Emotionen weckt.

Filmstill: Blick auf die gegenüberliegenden Gebäude.
Obwohl der Film als „Heimatfilm“ bezeichnet wird, wird das Heimatgefühl hier nicht durch die klassische ländliche Idylle, sondern durch die urbane Szenerie einer Berliner Kreuzung erzeugt. Der Blick aus der Wohnung schafft eine persönliche Verbindung zu dieser kleinen Welt, die gleichzeitig Teil der pulsierenden Großstadt ist.
„Lebe schon lange hier“ passt perfekt zum Seminarthema „Private Eye on the Public Space“. Der Film thematisiert die Schnittstelle zwischen dem privaten Raum der Wohnung und dem öffentlichen Raum der Kreuzung. Die trennende Fensterscheibe wird hier zur Metapher für die fließenden Grenzen zwischen diesen beiden Sphären. Der Akt des Beobachtens ist zugleich introspektiv und explorativ, wobei das Gesehene stets durch die Imagination des Betrachters ergänzt wird.
Der Film lädt ein, den eigenen Fensterblick zu reflektieren: Was erzählen uns die alltäglichen Bilder, die wir sehen? Welche Gedanken, Geschichten und Gefühle entstehen dabei in uns? Können diese kleinen, scheinbar unbedeutenden Momente eine tiefere Bedeutung entfalten und das Gefühl von Heimat selbst in der Anonymität der Großstadt entstehen lassen?

Filmstill: Kreuzung bei Schnee, ein Reisebuss hält.
Der Film lädt ein, den eigenen Fensterblick zu reflektieren: Was erzählen uns die alltäglichen Bilder, die wir sehen? Welche Gedanken, Geschichten und Gefühle entstehen dabei in uns? Können diese kleinen, scheinbar unbedeutenden Momente eine tiefere Bedeutung entfalten und das Gefühl von Heimat selbst in der Anonymität der Großstadt entstehen lassen?

Filmstill: Kreuzung bei Schnee, ein Reisebuss hält.
Mit seiner minimalistischen Ästhetik und seiner fragmentarischen Erzählweise ist „Lebe schon lange hier“ ein gelungenes Beispiel für die Verbindung von Innen- und Außenwelt im urbanen Kontext. Er fordert den Betrachter auf, den scheinbar banalen Alltag zu hinterfragen, die Schönheit im Normalen zu entdecken und über die Beziehung zwischen privatem und öffentlichem Raum nachzudenken. Ein eindrucksvoller Beitrag zur Reflexion über das urbane Leben und die Kunst des Beobachtens.