Lasse Frauenheim, 24.01.2025
In modern cities, more and more high-rises are being built. But how do they connect to urban life? This article explores high-rises and their relationship with public space. Urban planner Jan Gehl emphasizes that from the the sixth floor on, human sensory perception of emotions and interactions diminishes significantly, leading to a detachment from city life for residents. He criticizes high-rises for reducing the city’s dynamism and interaction. Nevertheless, living in upper floors is often seen as a luxury, with high-floor apartments in great demand. The distance from public space is perceived not as a loss but as a desirable luxury. From their elevated vantage point, people “tower” above the city and its public life.
The article also illustrates the U-City project in Adelaide, which seeks to integrate public space into a high-rise, demonstrating how such buildings can become more than isolated towers.
Hochhäuser prägen zunehmend moderne Städte und stellen damit eine architektonische Antwort auf die Herausforderungen der Urbanisierung dar. Wie gestaltet sich jedoch die Verbindung zwischen Hochhäusern und dem öffentlichen Raum? Wie stark bleibt der Bezug zur städtischen Umgebung erhalten, wenn die Höhe der Gebäude die menschliche Sinneswahrnehmung übersteigt und ab wann reist der Bezug zur Öffentlichkeit ab?
Ein Vergleich: Blicke aus Chicago und Bremen
Einen Einstieg in das Thema bietet der Vergleich zweier sehr unterschiedlicher urbaner Blicke aus dem Fenster: Chicago und Bremen. Während Chicago als Stadt der Wolkenkratzer bekannt ist, ist Bremen von einer weitgehend niedrigen Bebauung geprägt. Zwei Bilder verdeutlichen diesen Kontrast: Das erste Bild zeigt den Blick aus dem 14. OG eines Hotels in Chicago, das zweite den Blick aus einem Café im Bremer Viertel, aufgenommen aus dem ersten OG.
Blicke nach draußen aus Chicago und Bremen
Beide Perspektiven liegen mitten in der Stadt und richten den Blick nach draußen. Beim Betrachten der Bilder wird deutlich, wie unterschiedlich der Bezug zur Öffentlichkeit wahrgenommen wird: fällt es in Chicago schwer, überhaupt den öffentlichen Raum zu erkennen, so ist in Bremen ein klarer Bezug wahrnehmbar. Man fühlt sich als Teil der Öffentlichkeit, in Chicago hingegen ist man entkoppelt.
Der Blick nach draußen: Die Rolle der Sinneswahrnehmung
Die menschliche Wahrnehmung ist auf horizontale Blickrichtungen ausgelegt, während die Sicht nach oben oder unten nur peripher und unscharf erfolgt. Jan Gehl, Architekt und Stadtplaner, beschreibt in seinem Werk Städte für Menschen (2016) die Einschränkungen der Wahrnehmungen in zunehmenden Höhen:
- Auf einer Entfernung von 100m sind nur in Ansätzen die Körpersprache und Bewegungen von Menschen zu erkennen
- Ab 50-70m lassen sich die Haarfarbe, Geschlecht und charakteristische Bewegungen erkennen
- Ab 22-25m nehmen wir dann Emotionen und Gesichtsausdrücke wahr

Sinneswahrnehmungen beim Blick aus dem Hochhaus (Gehl 2016: 57)
Laut Gehl liegt die wichtigste Schwelle bei 25m, da wir ab dieser Entfernung Emotionen wahrnehmen. Die physiologische Grenze wirkt sich auf das Miteinander im städtischen Raum aus. Die Interaktion und der Bezug zum öffentlichen Raum bleibt bis zur fünften Etage möglich ab der sechsten Etage nimmt diese Verbindung drastisch ab. Beim Blick aus der sechsten Etage werden Menschen und ihr Verhalten zu anonymen Elementen in einer fernen Kulisse.
„Büros und Wohnungen in den höheren Etagen sollten [...] unter die Hoheit der Luftverkehrsbehörden fallen. Sie gehören jedenfalls nicht mehr zur Stadt“ (Jan Gehl)
Hochhäuser: Verlust oder bewusste Abgrenzung?
Jan Gehl kritisiert Hochhäuser für den Verlust der Verbindung zum öffentlichen Raum. Aus seiner Sicht entkoppeln sich die Hochhausbewohner*innen von der Dynamik der Stadt und machen eine aktive Teilnahme am Stadtgeschehen unmöglich.
Gleichzeitig beobachten wir eine zunehmende Anzahl von Hochhäusern und eine steigende Nachfrage nach Wohnungen in höheren Etagen. Grenzen sich Menschen also bewusst vom öffentlichen Raum ab?
Viele Menschen nehmen die Aussicht aus der Höhe als Luxusgut wahr. Je höher die Etage, desto exklusiver und teurer die Wohnungen. Die Entkopplung mit dem öffentlichen Raum wird nicht als Verlust, sondern als erstrebenswert wahrgenommen. Die Distanz zur städtischen Öffentlichkeit wird bewusst gesucht. Beim Blick nach draußen „thronen“ die Bewohner*innen über dem öffentlichen Raum. Die Entkopplung mit dem öffentlichen Raum wird als Gefühl der Überlegenheit erlebt.
Ausblick auf New York City
Öffentlicher Raum im Hochhaus: U-City Adelaide
Die U-City in Adelaide in Australien versucht trotz der von Gehl beschriebenen Entkopplung von Hochhäusern eine Verbindung zum öffentlichen Raum herzustellen. Sie ist ein multifunktionales Hochhaus, das betreutes Wohnen, Unterkünfte für Menschen mit Einschränkungen, Gewerbeflächen, Cafés, Einzelhandel und öffentliche Begegnungsräume kombiniert. Hier wird also der öffentliche Raum in das Gebäude selbst integriert.
Das Konzept der U-City in Adelaide (Barrie et al. 2023: 674)
Fazit
Der Bezug zum öffentlichen Raum nimmt mit zunehmender Gebäudehöhe ab. Ab der sechsten Etage findet eine Entkopplung mit der Öffentlichkeit statt, Hochhausbewohner*innen sind folglich vom städtischen Leben abgeschnitten. Jan Gehl kritisiert aus diesem Grund Hochhäuser. Gleichzeit steigt jedoch die Nachfrage nach Wohnungen in hohen Etagen, da der thronende Blick nach draußen als Luxus wahrgenommen wird. Projekte wie die U-City in Adelaide zeigen, wie Hochhäuser gestaltet werden können um mehr als isolierte Türme zu sein.
Literatur
Barrie, H., McDougall, K., Miller, K., Faulkner, D. (2023): The Social Value of Public Spaces in Mixed-Use High-Rise Buildings. In: Buildings and Cities, 4, 669-689. DOI: 10.5334/bc.339.
Gehl, J. (2016): Städte für Menschen. Berlin: Jovis. DOI: 10.1515/9783868598223.
Schwinghammer, B. (2019): Preise in wahnsinniger Höhe. In: Welt am 29.05.2019. Text abrufbar unter: https://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article194372673/Preise-in-wahnsinniger-Hoehe.html (Zugriff am 03.01.2025).