Hochschulseminar – Private Eye on the Public
 
Welt aus Mauern. Eine Kulturgeschichte
Lasse Frauenheim, 30.01.2025

Walls are everywhere – they structure our daily lives, provide protection and privacy, but also exclude and create barriers. In Welt aus Mauern. Eine Kulturgeschichte (Wagenbach Verlag, 2018), Tobias Prüwer examines the ambivalent role of walls, exploring what they reveal about the state of the world and how they affect the people who build, live behind, or stand in front of them.

Prüwer makes one thing clear: walls are not inherently bad. They provide security, create spaces for retreat, and offer orientation. They structure social life by delineating public and private spaces. In fact, communities can only emerge because of walls.
Yet walls can also exclude and isolate. While they were once symbols of power and protection, modern border walls often reflect helplessness—a desperate attempt to maintain control where it has already been lost. History, however, has shown that walls can never permanently separate people.
Invisible walls are also becoming increasingly common in public spaces. Anti-terror barriers or glass walls, such as those surrounding the Eiffel Tower, are meant to enhance security but often reinforce a sense of threat. As a result, they are disguised with greenery or seating areas—hidden from view because they are perceived as signs of weakness.
Prüwer highlights the complexity of walls: they are both protection and barrier, fostering community while also evoking fear and exclusion. The question is not whether walls are good or bad, but rather what role they play in our society and how we choose to interact with them.


Mauern sind allgegenwärtig. Sie umgeben uns, strukturieren unseren Alltag, bieten Schutz und schirmen uns ab. Doch sie grenzen auch aus und schaffen Barrieren zwischen Menschen und Räumen. Tobias Prüwers Buch Welt aus Mauern. Eine Kulturgeschichte (Wagenbach Verlag, 2018) widmet sich diesem ambivalenten Verhältnis von Mensch und Mauer und beleuchtet die tiefere Bedeutung dieses architektonischen Elements für unserer Gesellschaft. 

Es wird die Kulturgeschichte der Mauer erzählt und die Frage aufgeworfen, was Mauern über den Zustand der Welt aussagen. Zudem wird untersucht, wie sie auf Menschen zurückwirken – sowohl auf diejenigen, die sie gebaut haben, als auch jene, die vor oder hinter ihnen leben.

„Die wichtigste Architektur der Gemeinschaft ist die Mauer.“ (Richard Sennett)

Mauern machen eine Gemeinschaft überhaupt erst möglich. Mauer geben uns Rückzugmöglichkeiten, die Gemeinschaft wird erst zur solchen durch die Existenz von Mauern.

Mauern: Gut oder schlecht?

Mauern sind in der Gesellschaft oft negativ konnotiert. Viele Menschen denken zuallererst an Grenzmauern wie die Berliner Mauer. Doch Prüwer betont in seinem Buch, dass Mauern weder per se gut noch schlecht sind. Sie dienen vielfältigen Zwecken: Sie können Schutz bieten, Privatsphäre schaffen, Orientierung ermöglichen – aber auch ausgrenzen und abschotten. Dabei strukturieren sie den Raum, indem sie zwischen öffentlichem und privatem Bereich differenzieren. Mauern stellen die Grenze von Natur und Kultur dar. Das Fenster zeigt sich als Durchbrechung der Mauer: Es erlaubt einen Blick nach außen, macht die Mauer durchlässig und stellt dennoch eine klare Grenze dar. 


Landweg Bremen-Ostertor

Die Mauern im Bild geben einerseits eine klare Orientierung, lenken den Weg und signalisieren, dass es sich um einen Durchgangsraum und nicht um einen Aufenthaltsort handelt. Gleichzeitig können die Mauern labyrinthisch wirken und Angsträume schaffen. Prüwer zeigt auf, wie dieselben Mauern unterschiedliche Wirkungen entfalten – je nach Perspektive. Während sie für Ortskundige eine klare Struktur bieten, können sie für Fremde verwirrend und einengend sein.

Unsichtbare Grenzen: Mauern als Symbol der Schwäche

Mauern signalisieren Macht und verkörpern nach außen eine Herausforderung. Besonders in der Vergangenheit dienten sie der Verteidigung und repräsentierten Stärke. Prüwer beschreibt neuere Grenzmauern hingegen als Ausdruck von Hilflosigkeit – ein schneller, verzweifelter Versuch, Kontrolle zu bewahren. Betrachtet man die sogenannte Flüchtlingsproblematik, scheinen solche Mauern kurzfristige Lösungen zu bieten. Langfristig jedoch, so zeigt die Geschichte, haben sich menschliche Mobilität und der Drang nach Freiheit stets durchgesetzt.

 
„Eine Mauer ist auf Dauer kein Konzept. Jede Mauer wird scheitern“ (Rafael Seligmann)

Nach Terroranschlägen wurden auf öffentlichen Plätzen vermehrt Anti-Terror-Barrieren errichtet. Statt Sicherheit zu vermitteln, verstärkten sie das Gefühl der Bedrohung, indem sie ständig an die Gefahr erinnerten. Als Folge wurden sie begrünt und es wurden Sitzgelegenheiten geschaffen, die Mauer wurden somit unsichtbar gemacht. 

In Paris wurde diese Idee auf die Spitze getrieben: Rund um den Eiffelturm entstand eine gläserne Mauer. Offiziell diene sie der Sicherheit, doch Kritiker*innen, darunter die Bürgerinitiative Les Amis du Champ-de-Mars, sehen in ihr ein Mittel der Ausgrenzung. Sie argumentieren, die Mauer schließe Menschen, die „nicht ins Bild passen“ aus und instrumentalisiere die Angst vor Terroranschlägen für kommerzielle und politische Zwecke.


Glaswand am Eifelturm (Quelle: Truckendanner, 2017)

Menschen schotten sich wieder ab, wollen dies aber nicht sichtbar machen. Mauern wirken auf uns als psychologische Schwäche, wir wollen sie im öffentlichen Raum nicht sichtbar haben. 

Fazit

Mauern sind nicht per se gut oder schlecht. Mauern schützen uns, sie geben uns Orientierung und Intimsphäre und sie machen Gemeinschaft möglich. Sie trennen Natur und Kultur, Privates und Öffentliches. Die vermeintlich profane Mauer, ist ein wichtiges Element des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Gleichzeitig verbarrikadieren sich Menschen wieder zunehmend. Grenzmauern sind ein Zeichen der Schwäche. Es zeigt sich die Ambivalenz der Mauer: Ausgrenzung, Orientierung, Gemeinschaft. 


Literatur

Fischer, Sigrid (2018): Buch Welt aus Mauern. Prothese zur Freiheit. In: Deutschlandfunk am 20.03.2018. Text abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/buch-welt-aus-mauern-prothese-zur-freiheit-100.html (Zugriff am 24.01.2025). 

Prüwer, Tobias (2018): Welt aus Mauern. Eine Kulturgeschichte. Berlin: Wagenbach.

Truckendanner, Petra (2017): Gegen die Glaswand. In: Spiegel am 21.09.2017. Text abrufbar unter: https://www.spiegel.de/politik/ausland/paris-baut-um-den-eiffelturm-eine-kugelsichere-glaswand-als-terror-schutz-a-1152306.html.(Zugriff am 24.01.2025).