Lena-Cosima Griepentrog, 31. Januar 2025
The flâneur is an iconic figure of the modern city, wandering aimlessly through the streets, absorbing the urban landscape, and immersing himself in the visual culture of the metropolis. But what happens when the flâneur no longer moves through the city but instead through his own room? The fourth chapter of „ntimate Metropolis“ (2009) by Di Palma et al., explores this intriguing transformation - from strolling through bustling boulevards to embarking on an imaginative journey within the confined space of an interior.
Walter Benjamin’s The Arcades Project (1982) links the flâneur to 19th-century consumer culture, particularly in Parisian arcades. However, modernization and the rise of department stores eventually marginalize the flâneur, replacing leisurely observation with accelerated, functionalized urban life.
Der Flaneur – eine ikonische Figur der modernen Stadt. Er wandert ziellos durch die Straßen, nimmt die urbane Landschaft auf und taucht in die visuelle Kultur der Metropole ein. Doch was passiert, wenn der Flaneur sich nicht durch die Stadt bewegt, sondern durch sein eigenes Zimmer? Das vierte Kapitel aus dem Buch Intimate Metropolis (2009) von Di Palma et al., untersucht diese spannende Transformation – von den Flanierenden auf den Boulevards bis hin zur inneren Reise im begrenzten Raum des Interieurs.
Buchcover Intimate Metropolis von Vittoria Di Palma et al. (2009)
Flanieren im Zimmer – von Kierkegaard zu De Maistre
Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard beschreibt in einem frühen Werk eine Szene, in der Johannes, die Hauptfigur, mit seinem Vater einen imaginären Spaziergang im Zimmer unternimmt. Während sie physisch auf den engen Raum beschränkt sind, stellen sie sich vor, durch Straßen zu flanieren, das Meer zu sehen oder an Nachbarhäusern vorbeizuziehen. „While they strolled in this way up and down the the floor of his room, his father told him of all they saw. They greeted other pedestrians, passing wagons made a din around them and drowned out his fathers voice; the comfits in the pastry shopwere more inviting than ever“.
Ähnlich beschreibt Xavier de Maistre in „Voyage autour de ma chambre“ (1795) eine erzwungene Isolation als Gelegenheit für eine innere Reise durch sein eigenes Zimmer. Sein Bett wird zur Hauptstadt seiner Expedition, sein Sessel zur Reisekutsche, sein Spiegel zum magischen Portal. Hier zeigt sich eine Parallele: Der Innenraum wird wie eine Stadt erlebt – eine Umgebung, durch die man sich bewegt und die durch Fantasie zur Bühne urbaner Erfahrungen wird. Durch beide Texte wird deutlich, das flanieren nicht nur ein physischer Akt ist, sondern auch in der Gedankenwelt stattfinden kann.
Die Figur des Flaneurs in Walter Benjamins „The Arcades Project“ (1982)
Walter Benjamin prägte die Figur des Flaneurs als Wanderer der modernen Stadtlandschaft, die mit der Industrialisierung, dem Aufkommen der Konsumkultur und der Urbanisierung des 19. Jahrhunderts entstanden ist, in seinem Werk „The Arcades Project“ (1982).
Arkaden oder Passagen sind überdachte Einkaufsstraßen mit Glasdächern, die zu der damaligen Zeit im Paris entstanden sind. Sie waren luxuriöse Konsumräume, gesäumt von Geschäften, Cafés und Boutiquen. Für Benjamin waren diese Passagen Sinnbilder für die Geburt der modernen Stadt den Kapitalismus und ihrer Konsumkultur. Durch diese bewegt sich der Flaneur und ist fasziniert von den Schaufenstern und der Warenwelt, bleibt jedoch in Distanz dazu. Er betrachtet die Waren eher als ästhetische Objekte als Konsumgüter. Anders als der typische Konsument lässt sich der Flaneur nicht von den Waren verführen, sondern analysiert die Mechanismen der Konsumkultur, fungiert also als kritischer Betrachter. Walter Benjamin verknüpft die Figur des Flaneurs mit literarischen und künstlerischen Darstellungen des Flaneurs. Vor allem Charles Baudelaire, Dichter der Pariser Moderne, verkörpert für Benjamin den Flaneur: In seinen Gedichten beschreibt Baudelaire die Schönheit und das Elend der Großstadt, die Anonymität und die Flüchtigkeit des städtischen Lebens – Themen, die auch den Flaneur prägen.
Le Flaneur, Zeichnung von Paul Gavarni (1842)
Die moderne Stadt als Albtraum für den Flaneurs
Anschließens stellt der Text heraus dass die voranschreitende Modernisierung von Städten dem Flaneur zum Verhängnis wird. Der Flaneur verliert in der Moderne durch die zunehmende Beschleunigung und Rationalisierung des Lebens, sowie durch die Funktionalisierung des städtischen Raums seine Existenzgrundlage, da die freie, ziellose Bewegung von Zeitdruck und Verkehr verdrängt wird. Die Arkaden, einst das Zuhause des Flaneurs, wurden durch Kaufhäuser ersetzt, die nicht nur die Architektur, sondern auch das Konsumverhalten standardisierten. Diese Räume luden nicht mehr zum Spaziergang ein, sondern waren auf schnellen, zielgerichteten Konsum ausgerichtet. Der Flaneur, der einst die Massen beobachtete, wird in dieser Umgebung selbst Teil der Masse und verliert seine distanzierte Perspektive.
„The department store is the last promenade for the fläneur. If in the beginning the street had become an Interieur for him, now this interieur turned into a street, and he roamed through the labyrinth of commodities as he had once roamed through the labyrinth of the city.“
Die Kommodifizierung und voranschreitende Modernisierung des städtischen Raumes wurde regelrecht zu einem Albtraum für den Flaneur.
links: Galerie Vivienne, eine klassische Arkade in Paris. rechts: Blick über die Etagen eines handelsüblichen Kaufhauses.
Quelle:
Di Palma, Vittoria/Periton, Diana/ Lathouri, Marina /Architectural Association London (Hrsg.), (2009): „So the Flaneur Goes for a Walk in His Room“: Interior, Arcade, Cinema, Metropolis. In: Intimate Metropolis: Urban Subjects in the Modern City . London: Routledge.
Bildquellen:
https://www.researchgate.net/figure/This-pencil-drawing-of-le-flaneur-the-idler-1855-by-Paul-Gavarni-depicts-the-typical_fig1_369143547https://www.routledge.com/Intimate-Metropolis-Urban-Subjects-in-the-Modern-City/DiPalma-Periton-Lathouri/p/book/9780415415071
https://all.accor.com/a/de/limitless/thematics/architecture-design/passagen-paris.html