Hochschulseminar – Private Eye on the Public
 
"Des Vetters Eckfenster" - E.T.A. Hoffmann
Lennert Merenz, 30.01.2025

In E.T.A. Hoffmann’s short story The Cousin’s Corner Window, the first-person narrator visits his sick cousin, who is unable to leave his house due to a disability. Instead of lamenting his limited mobility, the cousin has developed his own way of experiencing the world: he observes the bustling street life through his corner window and enthusiastically tells stories about the people passing by. At first, the narrator is skeptical of this form of perception, believing that real life can only be understood through direct experience. However, the more he listens to his cousin’s stories, the more he becomes captivated by his fascination.

The story explores the tension between subjective perception and objective reality. While the narrator initially believes that one can only grasp the world through personal experience, his cousin demonstrates that careful observation and imagination can provide equally profound insights. Thus, the window becomes a symbol for the question of whether we truly perceive our surroundings as they are, or whether our view is shaped by our inner perspective. Hoffmann’s tale reflects a central idea of Dark Romanticism: reality is not just what we see, but above all, what we recognize within it.



Abb. 1

E.T.A. Hoffmanns "Das öde Haus" – Die Perspektive des Vetters Eckfensters

E.T.A. Hoffmanns Erzählung Das öde Haus (1817) gehört zu den bekanntesten Werken der Schwarzen Romantik. Sie erschien zunächst als Teil der Sammlung Nachtstücke, einer Reihe von Erzählungen, die sich mit dem Unheimlichen und Fantastischen auseinandersetzen. Hoffmann, der nicht nur Schriftsteller, sondern auch Komponist, Jurist und Zeichner war, gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Romantik. Besonders bemerkenswert ist dabei die Rolle des sogenannten „Vetters Eckfensters“. Diese Beobachtungsposition dient nicht nur als räumliche Rahmung der Geschichte, sondern auch als ein symbolträchtiger Blickwinkel, der die Grenzen zwischen Realität und Einbildung verschwimmen lässt.


Das Eckfenster als erzählerische Perspektive

Der Vetter des Erzählers, der in seiner Wohnung an einem belebten Platz lebt, nutzt sein Eckfenster, um das Treiben auf der Straße zu beobachten. Von hier aus werden die Geschehnisse im „öden Haus“ eingeführt, jenem düsteren, verwahrlosten Gebäude, das die Fantasie des Erzählers und seines Vetters anregt. Das Eckfenster wird so zur Schnittstelle zwischen der geordneten, bürgerlichen Welt des Beobachters und der unheimlichen, geheimnisvollen Sphäre des Hauses.



Abb. 2

Beobachtung und Erkenntnis

Die Nutzung des Eckfensters zeigt ein wiederkehrendes Motiv in Hoffmanns Werk: das Beobachten als Mittel der Erkenntnis, aber auch als mögliche Quelle der Täuschung. Der Erzähler ist von dem, was er sieht, fasziniert, kann aber die Realität nicht zweifelsfrei erfassen. Dadurch thematisiert Hoffmann das romantische Spannungsverhältnis zwischen Wahrnehmung und Interpretation, zwischen objektiver Welt und subjektivem Erleben.


Die Bedeutung des Fensters in der Romantik

Fenster spielen in der romantischen Literatur eine besondere Rolle. Sie markieren die Schwelle zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Realität und Fantasie. Während das Eckfenster dem Erzähler einen privilegierten Beobachtungsposten bietet, zeigt sich zugleich die Begrenztheit seiner Wahrnehmung: Er kann zwar sehen, aber nicht sicher wissen, was tatsächlich geschieht. Dies entspricht einem zentralen romantischen Motiv – der unerreichbaren Wahrheit, die sich nur fragmentarisch offenbart.



Abb. 3

Zeitgenössische und moderne Kritik

Bereits zeitgenössische Leser schätzten Hoffmanns Erzählung für ihre atmosphärische Dichte und ihr geschicktes Spiel mit Wahrnehmungsebenen. Kritiker hoben insbesondere die raffinierte Erzählstruktur hervor, die es dem Leser ermöglicht, gemeinsam mit dem Erzähler zwischen Realität und Fantasie zu schwanken. Moderne Interpretationen betonen zudem den psychologischen Aspekt: Das Eckfenster wird als Sinnbild für das begrenzte Wissen des Menschen betrachtet, das von Beobachtung und Interpretation geprägt ist. In Zeiten digitaler Überwachung erscheint Hoffmanns Motiv des unbemerkten Beobachtens zudem erstaunlich aktuell.


Quellenverzeichnis:

Textquellen:
E.T.A. Hoffmann - Des Vetters Eckfenster, Taschenbuch
https://etahoffmann.staatsbibliothek-berlin.de/portfolio-item/serapionsbrueder/
https://de.wikipedia.org/wiki/E._T._A._Hoffmann


Bildquellen:
Abb. 1: https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1040054868
Abb. 2: Eigenerstellt
Abb. 3: https://etahoffmann.staatsbibliothek-berlin.de/portfolio-item/vetters-eckfenster/