Hochschulseminar – Private Eye on the Public
 
EXPERIMENT - Gleiche Aussicht, verschiedene Blickwinkel
Anais Alostad, Paula Cordes, Linn Hoppens, Mirjana Ruffert, 27.01.2025
Human perception is a complex process influenced by various factors, including personal experiences, emotions, and environmental conditions. The same environment can be perceived very differently by different individuals.

This experiment explores how individual perceptions vary under identical external conditions and how different times of the day influence these perceptions.
  • How do the perceptions of the four participants differ despite having the same viewpoint?
  • Does the time of day (daylight/darkness) affect the perception of the surroundings?
  • What emotions arise in connection with the observed scene?
The perception of a place or scene is always individually shaped, even when all observers share the same viewpoint. While some participants may focus more on moving elements such as cars or pedestrians, others may concentrate on lighting conditions and colors. Additionally, time of day plays a crucial role: during the day, brightness provides clarity and a broad view, whereas at night, darkness and artificial lighting can drastically alter the atmosphere, evoking feelings of security or insecurity. The emotions associated with observation vary accordingly—from calmness and fascination to restlessness and sensory overload—depending on which elements of the environment are perceived as most dominant.

Ein Experiment zur Wahrnehmung

Einleitung

Die menschliche Wahrnehmung ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, darunter persönliche Erfahrungen, Emotionen und Umweltbedingungen. Die gleiche Umgebung kann von unterschiedlichen Individuen völlig verschieden wahrgenommen werden.

Dieses Experiment untersucht, wie sich individuelle Wahrnehmungen unter gleichen äußeren Bedingungen unterscheiden und welchen Einfluss verschiedene Tageszeiten darauf haben.
  • Wie unterscheiden sich die Wahrnehmungen der vier Teilnehmer trotz identischer Blickrichtung?
  • Beeinflusst die Tageszeit (hell/dunkel) die Wahrnehmung der Umgebung?
  • Welche Gefühle treten in Verbindung mit der beobachteten Szenerie auf?

Die Wahrnehmung eines Ortes oder einer Szenerie ist stets individuell geprägt, selbst wenn alle Beobachter dieselbe Blickrichtung einnehmen. Während manche Teilnehmer möglicherweise eher auf bewegende Elemente wie Autos oder Fußgänger achten, könnten andere Lichtverhältnisse und Farben in den Fokus rücken.


Zudem spielt die Tageszeit eine entscheidende Rolle: Während tagsüber die Helligkeit für Klarheit und einen Überblick sorgt, können Dunkelheit und künstliche Beleuchtung die Atmosphäre stark verändern und subjektive Empfindungen wie Geborgenheit oder Unsicherheit hervorrufen. Emotionen, die mit der Beobachtung einhergehen, variieren dementsprechend – sie können von Ruhe und Faszination bis hin zu Unruhe und Reizüberflutung reichen, je nachdem, welche Elemente der Umgebung als besonders dominant wahrgenommen werden.


Abbildung 1: Außenraum und Innenraum des Experimentes

Durchführung des Experiments

  • Vier „Fenster-Karten“ zur Dokumentation
  • Notizmaterial (Stifte, Papier)
  • Kamera zur Dokumentation der Umgebung

Das Experiment wurde in einem Café durchgeführt, welches sich an einer stark frequentierten Straße befindet. Vier Teilnehmer nahmen an zwei verschiedenen Zeitpunkten – einmal im Hellen und einmal im Dunkeln – jeweils am selben Tisch Platz. Die Sitzordnung war so gewählt, dass alle mit dem Blick aus dem Fenster gerichtet waren, um eine identische Beobachtungsperspektive sicherzustellen.

Die Umgebung war geprägt von einem lebhaften Verkehrsfluss aus Autos, S-Bahnen, Fahrradfahrern und Fußgängern. Während der gesamten Beobachtungszeit herrschte striktes Schweigen unter den Teilnehmern, um gegenseitige Beeinflussung zu vermeiden.


Abbildung 2: Blick aus den 4 unterschiedlichen Perspektiven

Jeder Teilnehmer erhielt eine vorbereitete Dokumentationskarte in Form eines „Fensters“, auf der zwei Bereiche vorgesehen waren: eine Seite für Gedanken und eine Seite für Gefühle. Die Aufgabe bestand darin, individuell und unbeeinflusst durch andere Beobachter festzuhalten, welche Wahrnehmungen und Gefühle während der Betrachtung der Umgebung auftraten. Nach einer definierten Beobachtungsdauer wurden die Karten eingesammelt und die Inhalte später miteinander verglichen. 

Kontrollfaktoren wie eine gleichbleibende Sitzposition, identische Zeitspannen für die Beobachtung und das Verbot der verbalen Kommunikation während des Experiments wurden konsequent eingehalten, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Die Hauptvariablen des Experiments bestanden in den individuellen Wahrnehmungen der Teilnehmer sowie der Veränderung der Lichtverhältnisse zwischen Beobachtungen im Hellen und im Dunkeln.


Abbildung 3: Auswertung der Dokumentationskarten

Ergebnisse

Die Auswertung der Dokumentationskarten zeigte deutliche Unterschiede zwischen den Wahrnehmungen im Hellen und im Dunkeln. Tagsüber wurde die Umgebung von allen Teilnehmern als lebendig, hektisch und dynamisch beschrieben.

Häufig genannte Gedanken umfassten Begriffe wie „Sonnenschein“, „Verkehr“, „viele Menschen“ und „Musik“. Zudem fiel auf, dass einige Teilnehmer sich auf das Aussehen von Passanten konzentrierten, beispielsweise durch Notizen über Kleidung oder mögliche Berufe der vorbeigehenden Personen. Die dominierenden Gefühle waren hierbei „entspannt“, „neugierig“ und „gelassen“, einige Teilnehmer empfanden auch „Mitgefühl“ gegenüber bestimmten Personen, wie etwa einer älteren Frau mit Rollator.

Nachts verschoben sich die Wahrnehmungen erheblich. Während tagsüber der Fokus auf Dynamik lag, rückten nun Aspekte wie „Sicherheit“, „Beleuchtung“ und „Beobachtet werden“ in den Vordergrund. Teilnehmer beschrieben ein stärkeres Bewusstsein für Lichtquellen und Reflexionen sowie eine gesteigerte Sensibilität für ihre eigene Sichtbarkeit, da sie sich durch das helle Café-Licht als beobachtbar empfanden. Gefühle wie „beobachtet“, „isoliert“, „angespannt“ oder „müde“ traten vermehrt auf. Einige Teilnehmer fühlten sich wohler in der Dunkelheit, während andere eher ein Gefühl der Unsicherheit entwickelten.

Besonders auffällig war, dass tagsüber häufiger Begriffe genannt wurden, die mit sozialer Interaktion in Verbindung stehen, wie „Blickkontakt“, „fehlender Austausch“ oder „Gemeinschaft“, während abends Begriffe wie „wenige Menschen“, „Jogger“ oder „weniger Geräusche“ dominanter waren. Dies zeigt, dass die Wahrnehmung nicht nur durch visuelle Eindrücke, sondern auch durch emotionale Assoziationen beeinflusst wird.

Fehlerquellen / Verbesserungsvorschläge

Trotz der ordentlichen Ausführung des Experiments gibt es einige potenzielle Fehlerquellen, die die Ergebnisse beeinflussen. 

Die geringe Stichprobengröße erschwert die Generalisierbarkeit der Ergebnisse.

Eine größere Anzahl an Teilnehmern würde die Aussagekraft und Repräsentativität der Studie verbessern.

Ein weiterer kritischer Punkt können externe Faktoren wie Wetterbedingungen, Verkehrsaufkommen oder spontane Ereignisse während der Beobachtungszeit sein, die unkontrolliert in die Ergebnisse eingeflossen sind. Eine standardisierte Versuchsumgebung oder eine kontrollierte Laborumgebung könnte solche Störfaktoren minimieren.

Zudem stellt die individuelle Tagesform der Teilnehmer eine potenzielle Fehlerquelle dar. Da Emotionen die Wahrnehmung erheblich beeinflussen können, wäre es sinnvoll, vor und nach der Beobachtung eine Selbsteinschätzung des emotionalen Zustands der Teilnehmer zu erheben, um diese Variable in der Auswertung zu berücksichtigen.

Um die Validität des Experiments weiter zu steigern, könnten zukünftige Studien eine größere Stichprobe einbeziehen, die Untersuchung in verschiedenen Umgebungen sowie zu unterschiedlichen Zeitpunkten wiederholen. Zudem wäre es aufschlussreich, persönliche Vorerfahrungen und kulturelle Hintergründe der Teilnehmer systematisch zu erfassen, um mögliche Einflussfaktoren differenzierter zu analysieren.

Fazit

Das Experiment zeigt, dass die menschliche Wahrnehmung von äußeren Bedingungen wie Lichtverhältnissen und individuellen Faktoren beeinflusst wird. Trotz identischer Blickrichtung variierten die Eindrücke, sowohl hinsichtlich der beobachteten Details als auch der empfundenen Emotionen. Während tagsüber die Dynamik und Lebendigkeit der Umgebung im Vordergrund standen, dominierten nachts Aspekte wie Sicherheit, Beleuchtung und die eigene Sichtbarkeit.

Die Ergebnisse belegen, dass Tageszeiten eine wesentliche Rolle in der Wahrnehmung spielen. Während Helligkeit am Tag für eine klare und detaillierte Beobachtung sorgt, führt Dunkelheit zu einer subjektiven Interpretation der Umgebung. Gefühle schwanken entsprechend zwischen Entspannung und Neugierde am Tag sowie Anspannung und Isolation in der Nacht. Zudem wurden tagsüber häufiger soziale Aspekte wahrgenommen, während nachts ein stärkeres Bewusstsein für individuelle Präsenz und Lichtquellen auftrat, welches durch die Spiegelung des Fensterglases und der Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit im Inneren und Äußeren hervorgerufen wird.

Insgesamt verdeutlicht dieses Experiment, dass Wahrnehmung nicht nur von den sichtbaren Elementen der Umgebung abhängt, sondern auch von emotionalen Prozessen. Es unterstreicht die Subjektivität menschlicher Sinneseindrücke und die Rolle, die äußere Rahmenbedingungen dabei spielen. 

Zukünftige Untersuchungen könnten weiter erforschen, inwiefern persönliche Erfahrungen oder kulturelle Hintergründe diese Wahrnehmungsunterschiede zusätzlich beeinflussen.