Hochschulseminar – Stadt und Rock 'n' Roll
 
In einer Welt von Fremden - Eine Anthropologie der Stadt, Rolf Lindner
Stephanie Gartung, 16 Februar 2024

In "In einer Welt von Fremden: Eine Antrhropologie der Stadt" author Rolf Lindner explores the concept of urban anthropology and the impact of urban life on individuals and communities. Drawing on his extensive experience as a sociologist, Park examines the complexities of urban societies and the challenges individuals face in navigating unfamiliar environments. Through his analysis, he offers valuable insights into understanding the dynamics of cities and their influence on human behaviour and interactions.



Das Buch „In einer Welt von Fremden“ von Rolf Lindner, das 2022 erschien, untersucht das Konzept der Stadt und die Auswirkungen des städtischen Lebens auf den Einzelnen und die Gemeinschaft.
Die Komplexität der städtischen Gesellschaft und die Herausforderungen, die sich in einer unbekannten Umgebung stellen, werden ebenfalls thematisiert. Mit seinen Essays in diesem Buch gibt er Einblicke in die Dynamik von Städten und deren Einfluss auf menschliches Verhalten und Interaktionen.


Über Möglichkeiten, Mythen und Lichter der Großstadt Berlins

Zunächst geht es um den explosiven Wachstum Berlins am Ende des 19. Jahrhunderts. Welche Menschen zog es nach Berlin und warum?
Unzählige Menschen strömten nach Berlin, um der Überwachung in den Dörfern und Kleinstädten zu entkommen. Dorf? Ein Ort, wo jeder jeden kennt und jeder alles weiß. Berlin galt als ein Ort, an dem Musik im Freien gespielt wurde, an dem man draußen sitzen, laut sein und ein Bier trinken konnte. Die Stadt offenbarte neue Möglichkeiten und eine eigentümliche Schönheit, die man aus den Dörfern nicht kannte.


Lichter der Großstadt

Lindner beschreibt das elektrische Licht in den Städten als eine Art Glanz und sichere Wärme, ja sogar als Luxus und Kontrolle. Es verändert das Verhältnis von Hell und Dunkel.
Ist es eine Art Statussymbol? Oder eher eine Präsentationsfunktion?
Es ist offensichtlich, dass dadurch eine andere Atmosphäre geschaffen wird. Die öffentliche Straßenbeleuchtung bietet eine Art Sicherheitsrahmen, so dass ein abendlicher Spaziergang durch die Stadt bereits zum städtischen Leben gehört. 

Im Licht fühlt man sich wohl, es entsteht eine Art moderne Atmosphäre.
Er erinnert an den Song "Down Town" von Petula Clark.

„When you´re alone and life is making you lonely
You can always go
Downtown
When you´ve got worries, all the noise and the hurry
Seems to help I know
Downtown
Just listen to the musik of the traffic in the city
Linger on the sidewalk where neonsigns are pretty
How can you lose?
The lights are much brighter there
You can forget all your troubles forget all your cares
So go Downtown“

Es ist ein Lied, das die Attraktivität und Energie des Stadtzentrums hervorhebt. Die Sängerin beschreibt die Stadt als einen Ort voller Leben, Lichter und Möglichkeiten. Der Text vermittelt den Eindruck von Urbanität, belebten Straßen, beleuchteten Schaufenstern und dem pulsierenden Herzen der Stadt. Die Erwähnung von "Downtown" als Ort, an dem alles passiert, vermittelt ein Gefühl von Aufregung und Freiheit. Sicherheit könnte in diesem Zusammenhang als die angenehme Atmosphäre und das Gemeinschaftsgefühl interpretiert werden, die die Innenstadt bietet.


Schönheit der Stadt

Wenn von der „Schönheit der Großstadt“ die Rede ist, denkt man oft zuerst an die Altstadt, an Fachwerk, Walmdächer, Erker und dergleichen. Gemeint ist aber eine andere Schönheit, die durch die Menschenmassen, den Verkehr, das allgemeine Tempo und deren Wahrnehmung entsteht. Es geht um das Erleben städtischer Räume, um eine Ästhetik, die durch Dichte, Lärm, Größe und Distanz Atmosphäre schafft.

Die Stadt wird hier nicht nur als physischer Raum gesehen, sondern als lebendiges Wesen mit eigener Kultur und eigenem Charakter. Urbanismus wird als Lebensform verstanden, die die Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen ihrer Bewohner prägt. Es entsteht nicht nur eine Atmosphäre, sondern eine Vielzahl von Atmosphären, die von verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und ethischen Gruppen mit ihrer eigenen Kultur und Identität geschaffen werden.


Der Fremde und die Stadt

Das Wort fremd ist hier für Lindner hier im Mittelpunkt. Das Leben in der Großstadt erscheint als entfremdet, weil die Bewohner durch den Prozess der Individualisierung einen Verlust an sozialer Bildung erfahren haben. Selbst der Nachbar bleibt fremd, wobei er hier argumentiert, dass jeder im Kontext der Stadt in gewisser Weise ein Fremder ist.
Aber gerade dadurch, z.B. durch den Ausbau von Bus und Bahn, durch das zu ziehen, durch allgemeine Veränderungen, ist die Stadt zu einem Ort der ständigen Bewegung mit unbekannten, fremden Menschen und Orten geworden. Dies führt zu einer einzigartigen sozialen Dynamik und einer Herausforderung für den Aufbau von Beziehungen und Gemeinschaftsformen.


Die Bedeutung der Sozialen Netzwerke

Soziale Netzwerke spielten eine entscheidende Rolle für die soziale Unterstützung, die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und das Zugehörigkeitsgefühl.
Das Finden einer Gemeinschaft, die in der Kleinstadt oft als Tabu gilt. Hier bezieht sich Lindner vorallem auf die queere Szene. Diese seien damals gezwungen gewesen, in die Stadt zu kommen.

Hier spricht er über das Lied „Smalltown Boy“ von Bronski Beat

“You leave in the morning with everything you own in a little black case
Alone on a platform, the wind and the rain on a sad and lonely face
Mother will never understand why you had to leave
But the anwers you seek will never be found at home”

Das Lied beschreibt die Erfahrungen eines jungen Mannes in einer Kleinstadt und seinen Wunsch, in die Großstadt zu ziehen, um dort Freiheit und Akzeptanz zu finden. Das Lied erzählt von den Herausforderungen und der Isolation, die der Protagonist in seiner kleinen Heimatstadt erfährt, insbesondere aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Der Refrain betont den Traum von einem neuen Leben in der Großstadt, wo er hofft, er selbst sein zu können und die Akzeptanz zu finden, die er in seiner Kleinstadt vermisst. Das Lied reflektiert Themen wie Identität, Toleranz und die Suche nach einem Ort, an dem man sich wirklich zu Hause fühlen kann.

Und genau diese Menschen sieht er als urbane Geschöpfe, sie nutzen die Stadt als Bühne, auf der man sich präsentieren und entfalten kann. Die Stadt war in den 80er Jahren voller Aussteiger und Berlin gab ihnen das Gefühl, angekommen zu sein.


Die Kraft des kulturellen Austausches

Außerdem werden die positiven Aspekte des städtischen Lebens, die Möglichkeiten des kulturellen Austauschs und die Vielfalt hervorgehoben.
Die Vielfalt der Kultur und ganz allgemein der Menschen und ihrer Geschichten, die zum Austausch von Ideen, Kreativität und Innovation führen.


Fazit

Insgesamt zeigt Lindner mit seinem Buch, welche Wirkung eine Großstadt haben kann.
Bis heute produziert die Großstadt ihre eigenen Mythen, die in Liedern, Gedichten, Filmen oder Erzählungen zum Ausdruck kommen und die Wahrnehmung der Stadt überlagern.


Buchquelle:

Lidner, Rolf, 2022. In einer Welt von Fremden: Eine Anthropologie der Stadt. Berlin: Matthes & Seitz Berlin. ISBN 978-3-7518-0378-6 (19.11.2023)


Bildquellen:

www.matthes-seitz-berlin.de/buch/in-einer-welt-von-fremden.html (19.11.2023)