Hochschulseminar – Stadt und Rock 'n' Roll
 
Verschwende deine Jugend
Tessa Schmols, 18.02.2024

VERSCHWENDE DEINE JUGEND

"Verschwende deine Jugend," published on October 17, 2001, is a detailed documentary novel by Jürgen Teipel, released by Suhrkamp Verlag. The book is based on approximately 1200 pages of interviews collected and conducted over three years. It offers an in-depth analysis of the German punk and New Wave scene, providing insights into its origins and describing scenes in Berlin, Düsseldorf, and Hamburg. Teipel traces characters, ideas, and conflicts, while outlining the political and social backgrounds that shaped this rebellious youth movement.

Teipel's work delves into the intricacies of the punk and New Wave subcultures, exploring their emergence and evolution in West Germany during the late 1970s and early 1980s. Through extensive interviews with musicians, artists, and other participants, he captures the essence of the scene, highlighting its creativity, energy, and defiance against societal norms.

The book is structured to provide a comprehensive overview of the era, touching upon key events, influential bands, and pivotal moments in the development of the scene. It examines the impact of punk and New Wave on German society, particularly its youth culture, and sheds light on the broader cultural and political context in which these movements emerged.

Overall, "Verschwende deine Jugend" serves as an essential document of a significant period in German cultural history, offering readers a deep understanding of the punk and New Wave movements and their enduring legacy.


Jürgen Teipel

Jürgen Teipel, 1961 in Münster geboren, ist ein vielseitiger deutscher Autor, Journalist, Regisseur und Musikproduzent, der sich hauptsächlich mit Popkultur und Musik beschäftigt. Bekannt durch sein Buch „Verschwende deine Jugend“ sowie seine Arbeit als Konzertveranstalter, DJ und Musiker, gilt Teipel als bedeutende Persönlichkeit in der Popkultur-Szene.


Inhalt des Buches

*Ich beziehe mich mit meinen Aussagen auf eine Zusammenfassung der verschiedenen Interviews aus dem Buch*

Jürgen Teipel beschreibt in dem Buch, seine Faszination, wie die Punkbewegung damals eine spezielle Lebensenergie verkörperte, die für viele sonst schwer zugänglich war und in der heutigen Zeit seiner Meinung nach oft zu kurz kommt. Diese Energie, die er als Liebe, Zuwendung und Freude bezeichnet, ist etwas, das er in der heutigen Gesellschaft oft vermisst, obwohl letztendlich jeder danach strebt. Sie ermöglichte einen Zugang zur Kreativität und Spontanität. Qualitäten, die damals schwieriger zu leben waren als heute. Der Alltag war oft grau und von stark kirchlich geprägten sozialen Normen. Punk war eine Erkenntnis all dessen. Ein Wunsch, die Dinge zu ändern. Punk war eher eine Darstellung der „nackten Realität“ und gleichzeitig eine Möglichkeit, diese Realität zu beschreiben. Es war ein Ausdruck für die Gedanken und Gefühle, die durch diese Realität hervorgerufen wurden: Enge, Isolation, Antriebslosigkeit, dumpfe Stimmungen usw. Natürlich gab es auch positive Emotionen unter Punks. Es ging bei Punk (genau wie bei den Hippies) um das Streben nach einem authentischen Leben – was wiederum zu mehr Lebensfreude führen sollte.

Allerdings sprach man darüber nicht viel, da solche Bekenntnisse im Hippie-Zeitalter oft inflationär und häufig nicht authentisch waren. Teipel beschreibt in seinem Buch, dass Punk in Wahrheit gar keine Bewegung war, sondern eine Ansammlung von Individualisten. Er begann 1998 mit seinen Recherchen zu dem Buch, da er den Eindruck hatte, dass unverhältnismäßig viele ehemalige Punks noch in den Konzepten der späten 70er Jahre gefangen waren. Das liegt wohl daran, wie prägend sich der Punk auf jeden Einzelnen ausgewirkt hat.

Die Punkbewegung entstand in den späten 1970er Jahren in den USA und Großbritannien als Reaktion auf das politische Klima, soziale Unruhen und die musikalische Landschaft dieser Zeit. Ursprünglich als Gegenbewegung zur etablierten Ordnung gedacht, zeigte der Punk eine Ablehnung gegenüber Mainstream-Kultur, Autorität und gesellschaftlichen Normen. Diese Bewegung war roh, rebellisch und energiegeladen. Sie drückte sich in Musik, Mode, Kunst und Attitüde aus. Musikalisch gesehen war Punk oft einfach strukturiert, schnell und laut. Bands wie die Sex Pistols, The Ramones, The Clash und viele andere, prägten diesen Sound und brachten eine neue Welle von Musik hervor. Diese war weit entfernt von den etablierten Genres.

In den späten 1970er Jahren brach auch in Deutschland eine subversive kulturelle Bewegung hervor, die die Hippiebewegung offiziell ablöste. Hippies in Deutschland engagierten sich für Frieden, Liebe, freie Sexualität und Umweltschutz. Sie lebten oft in Kommunen oder Wohngemeinschaften. Praktizierten alternative Lebensstile und betonten Gemeinschaft und Solidarität. Sie nahmen so viel Abstand von Deutschland wie sie konnten. Alles, was deutsch war, war peinlich, auch die Musik. Das wollte der Punk durchbrechen. Der deutsche Punk war eine vielschichtige Manifestation von Wut, Rebellion und kreativer Energie, die ihre Wurzeln in den Unzufriedenheiten einer Generation hatte. Sie wollten eine neue Richtung definieren. Es ging ihnen um Originalität und darum etwas Neues zu schaffen.

Die erste Punkplatte kam 1967 von Ramones auf den Markt. Dieses konnte man damals noch nicht als Punk bezeichnen, da das Genre erst viel später geprägt wurde. Bei Punkmusik war völlig egal, was für ein Sound dabei am Ende rumkommt. Es gab keine Perfektion, es ging auch nicht ums Musikmachen, sondern um den Leuten zu zeigen: „Das könnt ihr auch“. Sie brauchen niemanden, der sie bewundert. Viele Bands haben sich gegründet, ohne auch nur einmal zusammengespielt zu haben. Charlies Girls (die erste deutsche Punkband) hat zum Beispiel vor ihrem ersten Auftritt nicht einmal geprobt. Andere schon bestehende Bands haben daran gearbeitet, ihren Sound punkiger zu gestalten. Die Lieder wurden schneller und schiefer gespielt. Wenn das Publikum weglief, war das ein Zeichen, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Das war etwas Neues, das kannten die Leute noch nicht. Zu den ersten Punkbands aus Deutschland zählten unter anderen Charlies Girls, S.Y.P.H., Mittagspause, Male, KFC und D.A.F. Das Buch von Teipel beschreibt die Entstehungsgeschichte dieser Bands.

Der Punk war stets im Wandel. Die Leute probierten sich aus. Es wurde neues Bewusstsein geschaffen. Innerhalb des Punks wurde oft die Individualität gefeiert und das Recht auf freie Selbstentfaltung unterstützt. Die Punk-Szene hat queeren Menschen Raum geboten, ihre Identität zu erkunden und auszudrücken, ohne sich den gesellschaftlichen Erwartungen anzupassen. Die rebellische Haltung des Punks gegenüber Normen und die Ablehnung von Mainstream-Standards haben Menschen in der LGBTQ+-Community angezogen und ihnen den Raum geboten, sich auszuprobieren und zu entfalten.

Dadurch das Punk immer im Wandel war, wurde die Bewegung relativ schnell abgelöst bzw. hat sich weiterentwickelt. Jürgen Engler sagte: „Wir machen alles anders.“ Alles, was alt ist, wird ausradiert. Alles neu! „Und uns da jahrelang nicht weiterzuentwickeln, das war für mich undenkbar.“

Das Lied „Gottseidank nicht in England“ von Fehlfarben hat das Ende des Punks gut auf dem Punkt getroffen. Sie sangen:

„Schneid' dir die Haare, bevor du verpennst.“
Wechsle die Freunde, wie andere das Hemd.
Bau dir ein Bild, so wie es dir passt.
Sonst ist an der Spitze für dich kein Platz.“

Diese Aufforderung verändere dich. Das hat den Punk getroffen.

Anfang der 80er Jahre wurde alles technischer und elektronischer. Im Gegensatz zum Punk, der oft für seine Aggressivität und rohe Energie bekannt war, war die New-Wave-Musik häufig experimenteller, mit Synthesizern und neuen Produktionsmethoden. Man könnte sagen, dass die New-Wave-Bewegung den Punk nicht unbedingt ablöste, sondern vielmehr neue Möglichkeiten der kreativen Ausdrucksweise innerhalb der alternativen Musikszene aufzeigte. Einige Punkbands begannen, Elemente der New-Wave-Musik in ihre Songs aufzunehmen, was zu einer Verschmelzung der Genres führte. Sie war eine Art deutsche Antwort auf die Punk- und New-Wave-Bewegungen in anderen Ländern, aber mit einer einzigartigen kulturellen Prägung. Die NDW zeichnete sich durch eine Vielzahl von Stilen aus, die von Synth-Pop über Punk bis hin zu experimenteller elektronischer Musik reichten. Es war eine Zeit der künstlerischen Experimente und des kreativen Ausdrucks in der deutschen Musikszene. Die Texte der NDW waren oft provokativ, humorvoll oder auch politisch und spiegelten die damalige gesellschaftliche Stimmung wider. Die NDW-Szene brachte frische Sounds und eine neue Herangehensweise an die deutsche Popmusik hervor. Auch wenn die NDW als musikalische Bewegung in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr aktiv ist, bleibt ihr Einfluss auf die deutsche Musikszene und darüber hinaus bis heute bemerkbar. Ihre Experimentierfreude und ihr Erbe sind in verschiedenen modernen Musikrichtungen präsent. 


Mode und Frauenbild

Die deutsche Punk-Mode war ein deutliches visuelles Statement, geprägt von zerrissener Kleidung, Sicherheitsnadeln und einer klaren Ablehnung konventioneller Mode. Dieser Stil diente als Protest gegen Konformität und den Mainstream-Lifestyle. Punks betonten Individualität und Selbstausdruck, indem sie ihre eigenen, oft politisch geprägten Looks kreativ gestalteten. Die Kleidung wurde zu einem Ausdrucksmittel für soziale und politische Unzufriedenheit. Viele trugen politische Slogans oder Statements. Die Punks ermutigten sich gegenseitig, Kleidung selbst zu gestalten und zu modifizieren, was zu einer breiten Palette individueller Stile führte. Dies umfasste zerrissene Kleidung, Verzierungen mit Büroklammern und Sicherheitsnadeln, selbstgeschnittene Haare und experimentelle Farbgestaltung. Es ging ihnen auch um Flexibilität. Erst wurde die Lederjacke grün angesprüht und eine Woche später war sie gelb. Immer im Wandel. Es ging um Originalität. Schrille Farben, schräge Sachen und Löcher in den Klamotten. Es soll bloß nicht gekauft aussehen. Gudrun Gut, Mitglied der Punkgruppe Malaria!, wurde als Vorbild für Frauen in der Punkszene betrachtet.


Film „Verschwende deine Jugend“


Im Jahr 2003 wurde der deutsche Film „Verschwende deine Jugend“ veröffentlicht, doch Jürgen Teipel betont in seinem Buch ausdrücklich, dass er nichts mit dem Film zu tun hat. Die beiden Werke behandeln unterschiedliche Themen. Der Film handelt von der Band „Apollo Schwabing“, die berühmt werden möchte. Ihr Manager Harry plant ein Konzert mit D.A.F. als Hauptact und Apollo Schwabing als Vorband, um ihre Bekanntheit zu steigern. Das Projekt gerät außer Kontrolle, Harry verschuldet sich schwer, raubt eine Bank aus, verliert Job und Freunde, und am Ende stellt er sich selbst, geht ins Gefängnis und verliert sich in der Suche nach dem Sinn des Lebens. Der Film thematisiert, dass die Jugend als Zeit des Experimentierens und der Selbstsuche betrachtet wird, jedoch Gefahr läuft, durch exzessive Selbstsuche oder andere Lebensstile verschwendet zu werden.


Quellen: 
https://www.pinterest.de/pin/286963807481241731/ (18.2.24)
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2023/04/sex-pistols-1976-manchester-konzert-punk 
(18.2.24)
https://www.suhrkamp.de/buch/juergen-teipel-verschwende-deine-jugend-t-9783518463185 
(18.2.24)
https://www.badische-zeitung.de/juergen-teipel-zeigt-was-die-rave-szene-zusammenhaelt 
(18.2.24)
https://www.derstandard.at/story/2000056866169/fehlfarben-verschwendete-jugend-revisited 
(18.2.24)
Buch "Verschwende deine Jugend" von Jürgen Teipel